Rz. 79

Tatbestandsvoraussetzungen. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 AO hat ein Steuerpflichtiger einen Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung zu erstellen (Stammdokumentation). Tatbestandsvoraussetzungen für diese erweiterten Aufzeichnungspflichten unbeschränkt Steuerpflichtiger bezogen auf ihr inländisches Unternehmen und beschränkt Steuerpflichtiger bezogen auf ihre inländische Betriebsstätte sind, dass kumulativ

  • der Steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt ("für ein Unternehmen"),[1]
  • Geschäftsbeziehungen i. S. d. § 1 Abs. 4 AStG mit nahestehenden Personen oder Betriebsstätten bestehen, d. h. grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle mit diesen getätigt werden, und deshalb Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AO zu erstellen sind,
  • das Unternehmen Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, wobei eine multinationale Unternehmensgruppe nach § 90 Abs. 3 Satz 4 AO aus mindestens 2 in verschiedenen Staaten ansässigen und einander nach § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat besteht und deshalb immer vorliegt, wenn Geschäftsbeziehungen i. S. d. § 1 Abs. 4 AStG von Unternehmen im Raum stehen, und
  • die Unternehmensgruppe im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen Umsatz von mindestens 100 Mio. EUR erzielt hat (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO), wobei sich dieser Schwellenwert auf Umsätze sowohl mit nahestehenden Personen als auch mit fremden Dritten bezieht, "Innenumsätze" mit Betriebsstätten nicht umfasst sowie inländische und grenzüberschreitende Umsätze umfasst; eine Verpflichtung, zusammenhängende inländische Unternehmen i. S. v. §§ 13, 18 und 19 BpO zusammenzufassen, besteht – anders als für Zwecke des § 6 Abs. 2 GAufzV-E – nicht.[2]
 

Rz. 80

Bestandteil der Aufzeichnungen. Die Stammdokumentation ist Bestandteil der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungen, was durch § 90 Abs. 3 Satz 3 AO mit "gehört zu den Aufzeichnungen" klar zum Ausdruck gebracht wird. Insofern gelten keine Sondervorschriften. Dies betrifft zum einen die Anforderung und Vorlage der Stammdokumentation, die sich nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO bestimmt, d. h. auch die Stammdokumentation soll regelmäßig nur für Zwecke der steuerlichen Außenprüfung angefordert werden (s. aber Rz. 69).[3] Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GAufzV bleibt ferner § 2 Abs. 5 GAufzV unberührt, d. h. auch die Stammdokumentation ist grundsätzlich in deutscher Sprache zu erstellen (§ 87 Abs. 2 AO), wobei auf Antrag des Steuerpflichtigen die Erstellung in einer anderen Sprache (insb. in englischer Sprache) zugelassen werden kann, wenn ein sachgerechtes Verständnis innerhalb eines angemessenen Zeitraums sichergestellt werden kann.[4]

 

Rz. 81

Zweck der Stammdokumentation. Die innerstaatliche Umsetzung entspricht den Empfehlungen der Tz. 5.18 ff. der OECD-Leitlinien.[5] Dies betrifft insbesondere auch die Zwecksetzung der Stammdokumentation, die nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO über eine überblicksartige Darstellung nicht hinausgeht und insb. keinen Transaktionsbezug aufweist.[6] Hierdurch scheiden insb. Sanktionen nach § 162 Abs. 3, 4 AO (Rz. 93) aus. Dies betrifft ferner die Möglichkeit, die Inhalte der Stammdokumentation entsprechend den Empfehlungen der OECD international einheitlich und konsistent zu konzipieren, sodass diese von der jeweiligen Unternehmensgruppe nur einmal erstellt werden muss und allen Unternehmen der Unternehmensgruppe zur Vorlage bei der jeweiligen Finanzbehörde zur Verfügung gestellt werden kann. Die Möglichkeit hierzu eröffnet § 5 Abs. 1 Satz 2 GAufzV sowie der bestehende Beurteilungsspielraum, unbestimmte Rechtsbegriffe international einheitlich, nach offen gelegten Kriterien und interperiodisch konsistent anzuwenden (Rz. 94).[7]

 

Rz. 82

Inhalt der Aufzeichnungen. § 5 Abs. 1 Satz 1 GAufzV verweist bezüglich der für die Stammdokumentation erforderlichen Aufzeichnungen auf die Anlage zur GAufzV. Nach § 5 Abs. 2 GAufzV soll der Steuerpflichtige bei der Erstellung der Stammdokumentation eine vernünftige kaufmännische Beurteilung zugrunde legen, um die mit der Stammdokumentation verbundenen Ziele mit angemessenem Aufwand zu erreichen. Insofern wird hinsichtlich des erforderlichen Detaillierungsgrads bzw. des Abstrahierungsgrads der Stammdokumentation der Grundgedanke von Tz. 5.18 Satz 4 der OECD-Leitlinien aufgenommen (Rz. 6).[8] Insbesondere betrifft dies auch die Vermeidung von redundanten Vorlagen mit der Stammdokumentation bezogen auf Unterlagen, die der Finanzbehörde bereits vorliegen.[9] Im Einzelnen sind Aufzeichnungen zu folgenden Inhalten erforderlich, wobei dem Steuerpflichtigen bezogen auf unbestimmte Rechtsbegriffe ein eigenständiger Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, sofern dieser Beurteilungsspielraum international einheitlich, nach offen gelegten Kriterien und interperiodisch konsistent angewandt wird:[10]

  • grafische D...

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