Leitsatz

1. Wird ein Antrag gemäß § 32d Abs. 6 EStG gestellt, können negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit positiven tariflich besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden (insoweit entgegen BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl I 2016, 85, Rz. 119a).

2. Ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags gemäß § 20 Abs. 9 EStG von Einkünften aus Kapitalvermögen, die gemäß § 32d Abs. 2 EStG tariflich besteuert werden, ist ausgeschlossen.

 

Normenkette

§ 32d Abs. 6, Abs. 5, Abs. 1, § 20 Abs. 9, Abs. 6, § 32a EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten positive Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG, die zum Teil nach dem Abgeltungsteuersatz und zum Teil nach dem progressiven Einkommensteuertarif besteuert wurden. Die Kläger erzielten außerdem negative Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG, die dem gesonderten Steuertarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterlagen. Sie beantragten die Verrechnung der Kapitaleinkünfte im Wege der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG). Außerdem begehrten sie die Anwendung des Sparer-Pauschbetrags und die Anrechnung ausländischer Steuer auf die Kapitaleinkünfte. Das FA lehnte dies ab. Das FG wies die Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.1.2014, 2 K 1485/12, Haufe-Index 6758276, EFG 2014, 1195).

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger war aus den in den Pra­xis-Hinweisen genannten Gründen begründet. Sie führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG. Aufgrund der Feststellungen des FG war es fraglich, ob die abgeltend zu besteuernden negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen und die positiven regelbesteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen dem Grund und der Höhe zutreffend ermittelt worden waren.

 

Hinweis

1. Der vorliegende Fall zeigt, dass die Einführung der Abgeltungsteuer nicht nur zu einer Vereinfachung der Besteuerung von Kapitaleinkünften geführt hat. Grundsätzlich unterliegen Kapitaleinkünfte gemäß § 32d Abs. 1 EStG dem Abgeltungsteuersatz von 25 % und werden durch die von den Kreditinstituten einbehaltene Kapitalertragsteuer abgeltend besteuert.

Eine Besteuerung im Veranlagungsverfahren ist die Ausnahme. Sie erfolgt u.a. dann, wenn kein Quellensteuerabzug vorgenommen wurde oder ein Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 EStG gestellt wurde. In Betracht kommt auch ein Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG, wenn der progressive Steuersatz unter dem Abgeltungsteuersatz liegt.

2. Der Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG kann sich auch dann auszahlen, wenn die Möglichkeit zu einem horizontalen Verlustausgleich besteht. Der BFH ist in der Besprechungsentscheidung der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten, nach der die Verlustverrechnung zwischen den gemäß § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünften und den gemäß § 32d Abs. 2 EStG dem progressiven Steuertarif unterliegenden Kapitaleinkünften ausgeschlossen sein soll. Voraussetzung ist jedoch, dass bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids ein Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG gestellt wird (s. hierzu BFH, Urteil vom 12.5.2015, VIII R 14/13, BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806, BFH/NV 2015, 1488, BFH/PR 2015, 371).

3. Zu beachten ist, dass auch bei einem Antrag auf Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG die Verrechnung von Kapitaleinkünften nur innerhalb der Grenzen des § 20 Abs. 6 EStG möglich ist. So schließt § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG eine vertikale Verlustverrechnung von negativen Einkünften aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten aus. Außerdem können gemäß § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden.

4. Der BFH hält daran fest, dass ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags gemäß § 20 Abs. 9 EStGvon den tariflich besteuerten Einkünften ausgeschlossen ist. Abzugsfähig sind nur die tatsächlich entstandenen Werbungskosten. Dies verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das objektive Nettoprinzip erfordert nur die Berücksichtigung tatsächlich entstandener Erwerbsaufwendungen.

5. Der BFH hat zudem klargestellt, dass sich durch den Sparer-Pauschbetrag kein verrechenbarer Verlust ergeben kann. Der Sparer-Pauschbetrag kann nach § 20 Abs. 9 Satz 4 EStG nicht höher als die nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 EStG verrechneten Kapitalerträge sein. Er ist danach erst nach der Verlustverrechnung und nur insoweit abziehbar, als nach der Verrechnung Kapitaleinkünfte dem Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen. Dies ist bei einer Verlustverrechnung aufgrund einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht der Fall.

6. Verbleiben nach einer Verrechnung der Kapitaleinkünfte aufgrund einer Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG negative Kapitaleinkünfte, kommt eine Anrechnung der ausländischen Steuer nicht in Betracht. Die ausländische Steuer...

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