Leitsatz

1. Begnügt sich ein Ehegatte mit der Zuwendung von laufenden Zahlungen unter Verzicht auf Pflichtteils- oder ähnliche Ansprüche (Zugewinnausgleich), ist im Regelfall von einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auszugehen, sofern das den Vermögensübernehmern/Erben überlassene Vermögen ausreichend ertragfähig ist und die Parteien ihren Verpflichtungen wie vereinbart oder durch Vermächtnis bestimmt nachkommen.

2. Die Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen korrespondiert lediglich materiell-rechtlich mit der Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente. Der Begünstigte ist deshalb zum Klageverfahren des Verpflichteten nicht notwendig beizuladen.

 

Normenkette

§ 60 Abs. 3 Satz 1, § 123 Abs. 1 FGO, § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG

 

Sachverhalt

Nach dem Tod der Mutter des Klägers heiratete sein Vater V erneut. Kurz vor der Eheschließung hatte V mit seiner künftigen Ehefrau M einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem Gütertrennung und ein wechselseitiger Pflichtteilsverzicht vereinbart wurde. Darüber hinaus setzte V seiner zukünftigen Ehefrau ein Vermächtnis aus. Verpflichtet waren der Kläger und sein Bruder, die Erben des V wurden. Die Vermächtnisregelungen wurden in den Folgejahren mehrfach von V geändert. Im Zeitpunkt des Todes von V waren die Brüder verpflichtet, M eine monatliche Rente i.H.v. 4.000 DM zu zahlen. Zudem erhielt M den lebenslangen Nießbrauch an einem Haus. Bei Beendigung des Nießbrauchs sollte sich die an M zu zahlende Rente um 2.000 DM monatlich erhöhen.

Die vom Kläger an M geleisteten Zahlungen wurden vom FA nicht als dauernde Last berücksichtigt. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Köln, Urteil vom 30.6.2011, 10 K 1682/08, Haufe-Index 2729989, EFG 2011, 1781). Seine Revision begründete das FA damit, dass für die Frage der Zuordnung der Stiefmutter zum Generationennachfolge-Verbund auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe M kein Pflichtteilsanspruch (mehr) zugestanden, da sie auf diesen bereits früher verzichtet habe, ohne dass ihr hierfür Versorgungsleistungen eingeräumt worden seien. Ihr habe lediglich ein Nießbrauchsrecht zugestanden, das durch die Versorgungsleistungen abgelöst worden sei.

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG. Zwar hatte das FG aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen zu Recht erkannt, dass die Zahlungen des Klägers an M Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sein konnten. Es hatte jedoch die Prüfung unterlassen, ob der Kläger von V ausreichend ertragreiches Vermögen geerbt hatte. Zudem hatte das FG versäumt zu klären, ob der Kläger das Vermächtnis wie vereinbart erfüllt hatte.

 

Hinweis

Zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, aufgrund derer die Leistungen bei dem Verpflichteten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgezogen und beim Berechtigten gem. § 22 Nr. 1b EStG zu besteuern sind, hat der BFH u.a. die folgenden Grundsätze entwickelt:

1. Neben Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorbehalten worden sind, sind auch Versorgungsleistungen als Sonderausgaben abziehbar, die ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (z.B. in einem Vermächtnis) haben, sofern der Berechtigte statt seines gesetzlichen Erbteils aus übergeordneten Gründen der Erhaltung des Familienvermögens lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbteils handelt.

2. Der Empfänger der Versorgungsleistungen muss zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehören, zu dem auch ein/e Stiefvater/-mutter zählt.

Daran ändert sich nichts, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Eheschließung ein gegenseitiger Pflichtteilsverzicht vereinbart wird. Der Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen steht nicht entgegen, dass der spätere Erblasser Versorgungsleistungen zu einem Zeitpunkt vermächtnisweise aussetzt, zu dem sein (späterer) Ehepartner weder Pflichtteils- noch Zugewinnausgleichsansprüche hat. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Begünstigte einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – zu welchem Zeitpunkt auch immer – auf seine Pflichtteils- und/oder Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet. Von Bedeutung ist nur, dass er weder Pflichtteils- noch Zugewinnausgleichsansprüche geltend macht, sondern sich mit der vermächtnisweisen Zuwendung von Versorgungsleistungen begnügt.

3. Es muss Vermögen übertragen werden, das ausreichende Erträge abwirft, um die vom Übernehmer zu erbringenden Versorgungsleistungen abzudecken.

4. Durch die Rechtsprechung ist bereits anerkannt, dass ein Nießbrauch, den sich der Übergeber eines Vermögens vorbehalten hatte, durch eine private Versorgungsrente abgelöst werden kann, sofern die vereinbarten Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des überlassenen Vermögens bestritten werden können. E...

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