Leitsatz

Die Bundesrepublik Deutschland kann Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der Steuer befreit sind (Vermietung und Verpachtung von Grundstücken), nur durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gem. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-RL als Tätigkeiten "behandeln", die diesen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 S. 1, § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9, § 15 UStG 1993, Art. 4 Abs. 5, Art. 13 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Eine jPöR wollte für ihre Vermietungsumsätze auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichten. Das FA meinte, es handle sich insoweit nicht um einen "BgA" (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG). Die langfristige Vermietung sei als bloße Vermögensverwaltung kein "gewerblicher Betrieb". Die Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.2005, 5 K 5195/02, Haufe-Index 1501450, EFG 2006, 605); der BFH entschied, bei richtlinienkonformer Auslegung unterliege eine jPöR mit ihrer – privatrechtlichen – Vermietung und Verpachtung wie jeder andere Unternehmer der USt, solange nicht der Gesetzgeber – was nach Gemeinschaftsrecht zulässig wäre (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-RL) – diese Tätigkeit als Tätigkeit behandelt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt.

 

Hinweis

Das ist die Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 04.06.2009, C-102/08, Salix, BFH/NV Beilage 2009, 1222, BFH/PR 2009, 382:

1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) sind nach § 2 Abs. 3 S. 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art – BgA – (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Nach Gemeinschaftsrecht "gelten" jPöR nur dann nicht als Steuerpflichtige, wenn sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, "die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen". Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine jPöR nur unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht "im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen" handelt. Dem hat sich der BFH unter Hinweis auf die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung angeschlossen.

2. Bei genauer Betrachtung kann sich ein wesentlicher Unterschied auch im KStG nicht ergeben:

BgA von jPöR sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG "alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben; die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe)."

Unter Ausübung der öffentlichen Gewalt versteht der I. Senat Tätigkeiten, "die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür sei die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet(!) ist" (zuletzt BFH, Urteil vom 29.10.2008, I R 51/07, BFH/NV 2009, 308, BFH/PR 2009, 57).

Letzteres – aber auch den jPöR "eigentümlich und vorbehalten" – kann nicht der Fall sein, wenn eine jPöR auf privatrechtlicher Grundlage tätig wird. Das entspricht aber genau der Auffassung zu § 2 Abs. 3 UStG, wonach eine jPöR nur unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt. Ein Unterschied besteht nur, soweit das KStG eine nachhaltige "wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" voraussetzt, die sich "innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt". § 4 Abs. 5 KStG ist jedoch im Rahmen der Verweisung durch § 2 Abs. 3 UStG USt-Recht und deshalb als insoweit umsatzsteuerrechtliche Norm richtlinienkonform auszulegen.

Das Gemeinschaftsrecht kennt zwar eine spezielle Einschränkung für Tätigkeiten, die sich bei der jPöR nicht herausheben, nicht. Es enthält aber eine Regelung für "Bagatellfälle", die Vorschrift zur Besteuerung von Kleinunternehmern (Art. 24 der 6. EG-RL;Art. 281 MwStSystRL; vgl.§ 19 UStG). Die Einschränkung könnte daher im Rahmen der Verweisung durch § 2 Abs. 3 UStG so auszulegen sein, dass eine Besteuerung (nur) dann unterbleibt, wenn die Kleinunternehmergrenzen nicht überschritten sind, dass aber darüber hinaus die jPöR (nur) dann nicht als Unternehmer behandelt werden darf, wenn sie im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom...

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