Leitsatz

Lässt der Steuerpflichtige eine wertlos gewordene Aktienoption verfallen, entsteht ein Veräußerungsverlust wie im Fall eines Verkaufs ohne Erlös. Hat der Steuerpflichtige keine positiven Kapitaleinkünfte zu versteuern, ist der Betrag durch Verlustfeststellungsbescheid festzustellen. Dabei besteht keine Bindung an den Einkommensteuerbescheid, weil dort keine Kapitaleinkünfte ausgewiesen werden.

 

Sachverhalt

Ein selbstständiger Steuerberater hatte mit Anschaffungskosten von 7.060 EUR Aktienoptionen erworben. Im Streitjahr 2013 wurden die Optionen wegen ungünstiger Kursentwicklung der Aktien wertlos und deshalb von der Bank ausgebucht. Der Steuerpflichtige stellte nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids den Antrag, für den erlittenen Verlust aus Kapitalvermögen einen Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die gesetzliche Bindung an den Einkommensteuerescheid gem. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG lasse eine Verlustfeststellung nicht zu, auch wenn in dem Bescheid keine Kapitaleinkünfte erfasst worden seien.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht vertrat die gegenteilige Auffassung. Eine Bindung der Verlustfeststellung an den Einkommensteuerbescheid (als Quasi-Grundlagenbescheid) kann nicht angenommen werden, wenn die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen (hier der Verlust aus Kapitalvermögen) wegen der Abgeltungssteuer in dem Einkommensteuerbescheid nicht erfasst worden sind. Das Finanzgericht lässt ausdrücklich offen, ob etwas anders gelten könne, wenn die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ergeben würde, dass positive Kapitaleinkünfte auf Antrag in die Veranlagung einbezogen werden könnten (was allerdings bei Einkünften von null ohne Auswirkungen bleibt).

Dass bei den verfallenen Optionen ein Veräußerungsverlust anzunehmen ist, obwohl kein Verkauf vorliegt, begründet das Finanzgericht mit Gebot der Gleichbehandlung und damit der materiellen Steuergerechtigkeit. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ist in derselben Weise gemindert, einerlei, ob es zu einem negativen Differenzausgleich kommt oder die Optionen verfallen.

Dieselbe Auffassung hatten bereits andere Finanzgerichts vertreten. Wegen der in diesen Verfahren anhängigen Revisionen (IX R 48/14, 49/14 und 50/14) hat das FG auch hier die Revision zugelassen, die dann tatsächlich eingelegt wurde (VIII R 40/15).

 

Hinweis

Sollte das Finanzamt in einem ähnlich gelagerten Fall die Verlustfeststellung ablehnen, ist dringend ein Einspruch zu empfehlen, verbunden mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens unter Hinweis auf die anhängigen Revisionen. Zweckmäßigerweise sollte dieser Antrag bereits mit Abgabe der ESt-Erklärung gestellt werden. Der Urteilsfall macht deutlich, dass insoweit besondere Umsicht geboten ist. Vor der Entscheidung des Bundesfinanzhofs werden die Banken voraussichtlich derartige Verluste nicht von sich aus berücksichtigen. Der Steuerpflichtige ist deshalb gezwungen, den durch Zeitablauf entstanden Verlust von sich aus zu erfassen und für das entsprechende Jahr gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.10.2015, 3 K 420/14

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