Leitsatz

Der Verkauf von Grundstücken durch eine GmbH an einen Landkreis ist nicht nach § 4 Nr. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 1, Nr. 5 GrEStG

 

Sachverhalt

Ein Landkreis – der Kläger – hatte zur Erfüllung von Obliegenheiten im Zusammenhang mit der Flüchtlingshilfe die gemeinnützige A-GmbH gegründet und hielt 76,52 % der Anteile. Im Vermögen der GmbH befanden sich Grundstücke mit den Unterkunftseinrichtungen. Der Kläger übernahm im Rahmen der Liquidation alle Anteile an der A-GmbH. Danach kaufte der Kläger die Grundstücke von der A-GmbH.

Nachdem GrESt für diesen Grundstückskauf festgesetzt worden war, versagten sowohl das beklagte FA als auch die Vorinstanz (Hessisches FG, Urteil vom 21.1.2015, 5 K 908/10, Haufe-Index 7667139, EFG 2015, 835) eine Steuerbefreiung aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben nach § 4 Nr. 1 GrEStG.

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Auch der BFH hat das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 1 GrEStG verneint.

Im Wesentlichen begründet der Senat seine Entscheidung damit, dass es sich bei § 4 Nr. 1 GrEStG um einen Erwerb zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts handeln muss. Diese Eigenschaft fehlt der A-GmbH.

Auch wenn der Wortlaut des § 4 Nr. 1 GrEStG – so der BFH – in Bezug auf die an den Grundstücksveräußerer zu stellenden Anforderungen nicht ganz eindeutig ist, ergibt sich das Erfordernis zweier juristischer Personen aus dem grammatikalischen Zusammenhang der 2. Alternative ("aus Anlass von Grenzänderungen") mit der 1. Alternative ("aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben"). Die 2. Alternative fordert ausdrücklich, dass ein Grundstück von der einen auf die andere juristische Person übergeht.

Dieses Ergebnis wird durch den Willen des Ge­setzgebers bzw. die Entstehungsgeschichte der Steuerbefreiungsnorm bestätigt. Die Intention des ­historischen Gesetzgebers war danach die grunderwerbsteuerrechtliche Privilegierung bei einem Eigentumswechsel an Grundstücken innerhalb der öffentlichen Hand mit Übergang von Verwaltungsaufgaben.

Eine Erweiterung des Befreiungstatbestands in § 4 Nr. 1 GrEStG auf juristische Personen des Privatrechts ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau mit § 4 Nr. 5 (Nr. 9 a.F.) GrEStG. Diese Vorschrift betrifft den nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall, dass ein Grundstück im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) übertragen wird.

Der Erwerb aller Anteile an der A-GmbH durch den Kläger als juristische Person des öffentlichen Rechts ändert ebenfalls nichts an der Rechtsnatur der GmbH.

Damit kann dahinstehen, ob überhaupt ein "Übergang von öffentlich-rechtlichen Aufgaben" vorlag. Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private als beliehene Unternehmer würde regelmäßig einen besonderen Rechtsakt voraussetzen.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall betrifft die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG, welche Grundstückübertragungen aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben privilegiert. Der Befreiungstatbestand ist freilich nicht schon dann erfüllt, wenn die Vertragspartner gemeinnützige Aufgaben erfüllen. Vielmehr arbeitet der BFH in der Besprechungsentscheidung heraus, dass es darum geht, Grundstücksübertragungen zwischen zwei juristischen Perso­nen des öffentlichen Rechts zu begünstigen.

Auf einen weiteren Aspekt, den der BFH in gebotener Kürze behandelt, sei für die Praxis hingewiesen: Laut Sachverhalt erwirbt der Kläger zunächst alle Anteile an der grundstückhaltenden GmbH und kauft danach die Grundstücke von der GmbH. Der erste Sachverhalt erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG; dem Erwerber der Anteile werden die Grundstücke der GmbH zugerechnet. Unabhängig davon, ob eine Steuerfestsetzung erfolgt ist oder nicht, "schützt" diese Zurechnung den Kläger aber nicht vor der Verwirklichung des zweiten Erwerbstatbestands in Gestalt des Grundstückskaufs, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

Diese Rechtsfolge der Steuerbarkeit mehrfachen Grundstückserwerbs durch den gleichen Erwerber (BFH, Urteil vom 15.1.2003, II R 50/00, BFHE 200, 430, BStBl II 2003, 320) ist in § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG ausdrücklich vorgesehen. Allerdings bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass die Bemessungsgrundlage für den ersten Erwerb auf den zweiten angerechnet wird.

Da in der Vergangenheit der für § 1 Abs. 3 GrEStG maßgebliche Steuerwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) i.d.R. geringer war als derKaufpreis (§ 8 Abs. 1 GrEStG), konnte es zu einer "Nachzahlung" für den zweiten Erwerb kommen. Seit 2009 verweist § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG auch für den Steuerwert auf die "verkehrswertorientierten" Bewertungsregeln der §§ 176ff. BewG (über § 157 Abs. 3 BewG), sodass sich jedenfalls theoretisch keine überschießende Bemessungsgrundlage für den Zweiterwerb mehr ergeben dürfte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.11.2016 – II R 12/15

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