Leitsatz

Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, hatten ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen (vorwiegend Zinsen) ordnungsgemäß in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 angegeben. Gegen die Festsetzung der Einkommensteuer auf diese Einkünfte wandten die Kläger ein, daß die Besteuerung der Zinseinkünfte gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoße, weil das in § 30a AO festgeschriebene „Bankgeheimnis” eine hinreichende Überprüfung der nicht vollständig erklärten Zinseinkünfte verbiete. Einspruch, Klage und Revision der Kläger blieben erfolglos.

Unter Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung (Urteil v. 18. 2. 1997, VIII R 33/95, BStBl 1997 II S. 499) entschied der BFH, daß die Besteuerung der im Jahr 1993 erzielten Zinseinkünfte nicht gegen das GG verstoße. Zur Begründung bezog er sich weitgehend auf die ausführlichen Entscheidungsgründe in seinem Grundsatzurteil v. 18. 2. 1997. Die gegen dieses Urteil von den Klägern, Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung (vgl. BFH, Beschluß v. 28. 10. 1997, VII B 40/97, BFH/NV 1998 S. 424) erhobenen Einwände seien nicht stichhaltig (→ Zinsabschlag ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.12.1998, VIII R 6/98

Anmerkung:

Im Zentrum der Begründung dieser Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH steht die einschränkende Auslegung des § 30a AO, vor allem die einengende Interpretation von dessen Abs. 3. Aus der „gebotenen … Auslegung des § 30a Abs. 3 AO” folge, so der VIII. Senat des BFH, „eine … wesentliche Einschränkung des dort statuierten Kontrollmitteilungsverbots”. Kontrollmitteilungen durch den Außenprüfer dürften dann erfolgen, wenn dazu ein „hinreichender Anlaß” bestehe. Für das Vorliegen eines „hinreichenden Anlasses” genüge, daß der Außenprüfer im Rahmen einer aufgrund allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu dem Ergebnis komme, daß eine Kontrollmitteilung zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen könne.

Gegen diese einschränkende Auslegung des § 30a Abs. 3 AO ist eingewendet worden, sie widerspreche dem Wortlaut und dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck dieser Norm. Der Bogen der zulässigen verfassungskonformen Auslegung sei überspannt worden. § 30a AO verliere mit der vom VIII. Senat vorgenommenen Auslegung nahezu jede selbständige Bedeutung.

Wie das Besprechungsurteil belegt, überzeugten den VIII. Senat des BFH diese Einwendungen nicht. In der Tat: Das Argument, die restriktive Auslegung des § 30a Abs. 3 AO durch den VIII. Senat des BFH widerspreche dessen Wortlaut, konnte von den Kritikern nicht substantiiert begründet werden. Der Wortlaut des § 30a Abs. 3 AO mit seinen scheinbar widersprüchlichen Aussagen in dessen Sätzen 1 („… dürfen … nicht … festgestellt oder abgeschrieben werden”) und 2 („… soll … unterbleiben”) ist mehrdeutig und deswegen gerade der Auslegung zugänglich. Auch das Argument, die restriktive Interpretation des § 30a. Abs. 3 AO widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck dieser Norm, konnte von den Kritikern nicht schlüssig belegt werden. Woraus ergibt sich und wo steht geschrieben, daß der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 30a Abs. 3 AO eine Kontrollmitteilung bei „hinreichendem Anlaß” verbieten wollte? Die Entstehungsgeschichte dieser Regelung und seiner Vorläufer, der sog. Bankenerlasse, belegt das Gegenteil. Das hat der VIII. Senat des BFH bereits im Urteil v. 18. 2. 1997 m. E. überzeugend nachgewiesen.

Wie dem auch sei: Das letzte Wort in dieser Angelegenheit wird das Bundesverfassungsgericht haben; denn es ist wahrscheinlich, daß die Kläger das Besprechungsurteil mit der Verfassungsbeschwerde anfechten werden.

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