Rz. 4

Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung. Eine vGA erfordert zunächst, dass auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung vorliegt, die sich auf den bilanziellen Unterschiedsbetrag i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgewirkt hat. Angesichts der in ihrer Wirkung auf den Unterschiedsbetrag erforderlichen Vermögensveränderungen bestehen begrifflich keine Unterschiede zur Unterschiedsbetragsminderung[1] bzw. verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung. Jeweils kommt es auf Vermögensveränderungen auf Ebene der Kapitalgesellschaft an, die sich ausschließlich nach dem auf der ersten Gewinnermittlungsstufe der durch § 4 Abs. 1 EStG geregelten zweistufigen Gewinnermittlung maßgeblichen Steuerbilanzrecht bestimmen. Maßgeblich ist mithin das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft gemäß Steuerbilanz. Eine Unterschiedsbetragsminderung ist hiernach gegeben, wenn sich ein Aktivposten vermindert oder ein Passivposten begründet wird oder sich erhöht. Eine verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung liegt dagegen vor, wenn sich – trotz eines bilanziell beachtlichen Ereignisses – ein Aktivposten nicht erhöht oder ein Passivposten nicht vermindert. Eine vGA knüpft an beide Tatbestandsmerkmale alternativ und gleichwertig an, um auf Ebene der Kapitalgesellschaft einen Vermögensnachteil zu bestimmen. Der Unterschied zwischen beiden Anknüpfungsmerkmalen besteht letztlich darin, dass die Unterschiedsbetragsminderung den "Normalfall" einer sich auch in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft auswirkenden Vorteilsgewährung an den Gesellschafter darstellt, während die verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung gerade durch ihre Nichtauswirkung gekennzeichnet ist.[2] Der verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung haftet kein Ausschüttungspotenzial an. Gosch bezeichnet sie deshalb zutreffend als "negative Größe des Gewinnverzichts".[3]

Gegenstand der Unterschiedsbetragsminderung bzw. der verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung kann jeder vermögenswerte Vorteil sein. Dazu zählen neben der Übertragung von einlagefähigen materiellen Wirtschaftsgütern auch Vorteilszuwendungen durch immaterielle Anlagewerte, Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungen, seien sie unentgeltlich oder zu billig überlassen, oder der Verzicht auf Gewinnchancen.[4] Letztlich muss das steuerliche Ergebnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft durch einen Aufwand oder Minderertrag belastet worden sein.

 

Rz. 5

 

Praxis-Hinweis

Vermögensnachteile in Gestalt von Vermögensminderungen liegen insb. in folgenden Fällen vor:[5]

  • überhöhte Geldzahlungen an den Gesellschafter;
  • unentgeltliche/verbilligte Übertragung von materiellen Wirtschaftsgütern und bilanzierten immateriellen Wirtschaftsgütern;
  • Übernahme von Verbindlichkeiten oder Risiken des Gesellschafters;
  • Überpreiserwerb durch die Kapitalgesellschaft von einem Gesellschafter;

Vermögensnachteile in Gestalt von verhinderten Vermögensmehrungen liegen insb. in folgenden Fällen vor:[6]

  • unentgeltliche/verbilligte Übertragung von materiellen Wirtschaftsgütern und bilanzierten immateriellen Wirtschaftsgütern, soweit stille Reserven nicht vergütet werden;
  • unentgeltliche/verbilligte Übertragung von selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern;
  • unentgeltliche/verbilligte Übertragung/Nichtausnutzung von Geschäftschancen;
  • unentgeltliche/verbilligte Erbringung von Dienstleistungen;
  • unentgeltliche/verbilligte Nutzungsüberlassungen, z. B. Darlehensgewährungen, Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern.
 

Rz. 6

Keine Saldierung/Verrechnung unterschiedlicher Geschäftsvorfälle. Die Beurteilung einer vGA erfolgt grundsätzlich geschäftsvorfallbezogen.[7] Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge. Die transaktionsbezogene Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes wird für Zwecke der in dieser Hinsicht vergleichbaren Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG daran deutlich, dass dieser tatbestandlich eine Einkünfteminderung "aus einer Geschäftsbeziehung" erfordert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG) und dass der Verrechnungspreis für "eine Geschäftsbeziehung" zu ermitteln ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG). Für Zwecke der Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA kommt es dementsprechend auf eine konkrete Vermögensminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung an, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (Rz. 4). Aufgrund der Anknüpfung einer vGA an einen bestimmten Geschäftsvorfall kann eine bestehende Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung nicht dadurch neutralisiert bzw. rückgängig gemacht werden, dass die ursprünglich vereinbarten Bedingungen nachträglich an jene angepasst werden, die fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen abgeschlossen hätten. Das entsprechende "Gegengeschäft" ist vielmehr steuerlich gesondert zu beurteilen. Ein entsprechender Ersatzanspruch stellt nach ständiger Rechtsprechung des BFH[8] das Gegenstück zu der (verdeckten) Ausschüttung dar un...

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