Rz. 46

Die Vorschrift des § 271 Abs. 2 HGB ist aufgrund komplexer Formulierungen nur schwer lesbar und darüber hinaus zum Teil unverständlich. Sie ist unter Verständlichkeitsgesichtspunkten ein Musterbeispiel dafür, wie Gesetze nicht geschaffen werden sollten. Zu Recht wirft Bieg daher die Frage auf, ob es dieser "babylonischen Sprachverwirrung wirklich bedarf. Gesetze leben nicht zuletzt auch davon, dass sie nicht nur von ihren Verfassern und einigen wenigen Spezialisten verstanden werden."[1]

 

Rz. 47

An der Gesetzessystematik ist unbefriedigend, dass der Gesetzgeber keine allgemeinverbindliche und damit keine einheitliche Definition verbundener Unternehmen im HGB und AktG gefunden hat.

 

Rz. 48

Die Definition verbundener Unternehmen muss unter Rechnungslegungsgesichtspunkten so beurteilt werden, dass sie die Grundlage einer zweckentsprechenden Offenlegung der Verbundbeziehungen bildet. Zweck dieser spezifischen Berichterstattung ist es insbesondere, die "finanzielle Verflechtung mit verbundenen Unternehmen und ihren Einfluss auf die Ertragslage offenzulegen"[2]; denn Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen weisen eine andere Qualität auf als jene zwischen nicht verbundenen Unternehmen. Eine Begriffsbestimmung der verbundenen Unternehmen wird daran zu messen sein, inwieweit sie die Grundlage einer möglichst umfassenden Begriffsbestimmung aller Verbundbeziehungen schafft. Wird die Begriffsbestimmung des § 271 Abs. 2 HGB hieran beurteilt, muss diese Definition abgelehnt werden, da sie die Verbundbeziehungen lediglich partiell erfasst. Obwohl vom Grundsatz und von der Notwendigkeit einer spezifischen Berichterstattung her zweifelsfrei Verbundbeziehungen vorliegen, werden bei einer wörtlichen Auslegung des Gesetzestexts diese Beziehungen unter Umständen dann nicht als solche ausgewiesen, wenn

  • in einem einstufigen Konzern das Mutterunternehmen den Sitz im Ausland hat oder in der Rechtsform einer Nicht-Kapitalgesellschaft geführt wird,
  • der Konzern – vorbehaltlich des in § 293 Abs. 5 HGB kodifizierten Ausnahmetatbestands – die größenabhängigen Befreiungen des § 293 HGB erfüllt,
  • für kein Tochterunternehmen eine Konsolidierungspflicht besteht, ergo die Aufstellung eines Konzernabschlusses unterbleiben kann (vgl. § 290 Abs. 5 HGB),
  • nicht-beherrschende (Minderheits-)Gesellschafter ihr Veto einlegen und die Erstellung eines teilkonsolidierten Abschlusses verlangen, oder
  • für ein den Kapitalmarkt in Anspruch nehmendes (Mutter-)Unternehmen kein befreiender Konzernabschluss erstellt werden kann.

Der Ausweis von Verbundbeziehungen im Rahmen der einzelgesellschaftlichen Rechnungslegung wird somit von der Erfüllung bestimmter Sachverhalte im Rahmen der Konzernrechnungslegung abhängig gemacht. Dies ist betriebswirtschaftlich unbefriedigend, zumal diese Konsolidierungsverpflichtungen zur Charakterisierung eines Unternehmensverbunds ungeeignet sind.

 

Rz. 49

In der Literatur wurde vielfach auf die Regelungslücken des § 271 Abs. 2 HGB hingewiesen und für eine Neufassung dieser Vorschrift plädiert.[3] Eine Neufassung sollte in jene Richtung gehen, wie sie von Kropff – nun allerdings unter Berücksichtigung des mit Verabschiedung des sog. Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte (ESEF) hergestellten (aktuellen) Rechtsstands – vorgezeichnet wurde.[4]

 

Rz. 50

Verbundene Unternehmen liegen unabhängig von der Rechtsform und vom Sitz der betroffenen Unternehmen dann vor, wenn ein Mutter-Tochter-Verhältnis i. S. d. § 290 HGB gegeben ist. Alle mit einem Unternehmen in einem Mutter-Tochter-Verhältnis stehenden und somit verbundenen Unternehmen gelten auch im Verhältnis zueinander als verbundene Unternehmen i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB.

 

Rz. 51

Nicht zuletzt deshalb, weil der Gesetzgeber – bei aller berechtigten Kritik – bis zum heutigen Tage keinen Anlass gesehen hat, klärend einzugreifen, gilt es (nach wie vor) als unbefriedigend festzuhalten, dass wesentliche Teile zweifelsfrei bestehender Verbundtatbestände – konzeptionsimmanent – nicht als solche ausgewiesen werden (müssen), ergo die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zwangsläufig unzutreffend dargestellt wird. Da es für die mit § 271 Abs. 2 HGB verfolgten "Publizitätsinteressen unerheblich [ist, d. Verf.], ob die Einbeziehung dieser Unternehmen in den (Teil-)Konzernabschluss (oder die Möglichkeit zur Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach den §§ 291, 292 HGB) an der Rechtsform des Mutterunternehmens, am Nichterreichen der in § 293 HGB definierten Größenmerkmale oder an sonstigen Sonderkonstellationen scheitert"[5], dürften – so die herrschende Auffassung – keine Bedenken dagegen bestehen, wenn in eindeutigen Verbundfällen die Beziehungen auch als solche kenntlich gemacht werden, obgleich eine wörtliche Auslegung des Gesetzestexts dem entgegensteht. Diesbezüglich wird sich im Wesentlichen auf eine richtlinienkonforme Auslegung gestützt,[6] wonach...

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