Rz. 21

Grundsätzlich knüpft die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung an den Tatbestand des bereits dargestellten Mutter-Tochter-Verhältnisses nach § 290 HGB an. Gem. § 271 Abs. 2 HGB wird auf die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach Maßgabe des Zweiten Unterabschnitts verwiesen. Im deutschen Handelsrecht existieren mehrere Regelungen, die von der Verpflichtung zur Aufstellung eines (HGB-)Konzernabschlusses trotz Vorliegens einer Mutter-Tochter-Beziehung absehen. Da diese Vorschriften im Kontext der Beurteilung einer Unternehmensverbindung von Bedeutung sind, werden die folgenden vier Themenbereiche näher adressiert:

  • Befreiende Konzernabschlüsse gem. der §§ 291 bzw. 292 HGB;
  • größenabhängige Befreiung i. S. d. § 293 HGB;
  • Aufstellung eines Konzernabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsnormen (IFRS);
  • Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach dem PublG.[1]
[1] Dieser Themenbereich basiert nicht originär auf einer Mutter-Tochter-Beziehung gem. § 290 HGB, ist über die Verweise des PublG auf das HGB jedoch auch zur Bestimmung eines Unternehmensverbunds nach § 271 Abs. 2 HGB an dieser Stelle von Bedeutung.

3.3.2.1 Befreiende Konzernabschlüsse nach den §§ 291 f. HGB

 

Rz. 22

Ebenso wie die 7. EG-Richtlinie sieht auch die (konsolidierte) Bilanzrichtlinie 2013/34/EU vor, dass es prinzipiell auf jeder Konzernstufe einen (Teil-)Konzernabschluss aufzustellen gilt, sofern einer der pflichtbegründenden Tatbestände des § 290 Abs. 1 f. HGB als erfüllt anzusehen ist (sog. "Tannenbaumprinzip").[1] Um die Aufstellung auf jeder Konzernstufe zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 291 f. HGB die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen sog. befreiende Konzernabschlüsse zu erstellen.

 

Rz. 23

Ein befreiender Konzernabschluss mitsamt Lagebericht kann nach § 291 HGB von jedem – in der EU bzw. einem anderen EWR-Vertragsstaat domizilierenden – Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform und Größe aufgestellt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass das Unternehmen, wäre es eine Kapitalgesellschaft, zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und seiner Tochterunternehmen verpflichtet wäre.[2] Eine Nicht-Kapitalgesellschaft wird somit als fiktive Kapitalgesellschaft betrachtet und sodann die Frage gestellt, ob diese Nicht-Kapitalgesellschaft – wäre sie eine Kapitalgesellschaft – zur Konzernrechnungslegung verpflichtet wäre. Somit können auch Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich von § 290 HGB fallen – inländische Nicht-Kapitalgesellschaften wie auch Unternehmen mit Sitz im Ausland, grundsätzlich einen befreienden Konzernabschluss aufstellen.

 

Rz. 24

Neben der Befreiung eines Mutterunternehmens von der Aufstellung eines Konzernabschlusses stellt gem. § 271 Abs. 2 HGB (Verbundbedingung II) ein befreiender Konzernabschluss nach § 291 HGB bzw. § 292 HGB einen Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Unternehmensverbunds dar. Es gilt hervorzuheben, dass im Rahmen der Bestimmung des Unternehmensverbunds nach § 271 Abs. 2 HGB keine tatsächliche Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses notwendig ist. Allein die Fiktion, dass die befreiende Wirkung bei Aufstellung eines solchen Abschlusses durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen gegeben wäre, ist zur Klassifizierung der einzubeziehenden Unternehmen als "verbundene Unternehmen" ausreichend.

 

Rz. 25

Im Kontext eines befreienden Konzernabschlusses ist insbesondere auf den Minderheitenschutz gem. § 291 Abs. 3 HGB hinzuweisen. Nicht-beherrschende Gesellschafter können ab einem bestimmten Anteilsbesitz nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB die Erstellung eines sog. Partialabschlusses verlangen bzw. müssen einer intendierten Befreiung nicht zustimmen und können damit die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses verhindern. Ein befreiender Konzernabschluss durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen wäre damit nicht möglich. Ist dies der Fall, folgt daraus nach dem Wortlaut des § 271 Abs. 2 HGB, dass der betreffende teilkonsolidierte Abschluss zur Bestimmung des Unternehmensverbunds heranzuziehen ist. Es hinge somit vom Verhalten der Minderheiten ab, ob sämtliche Konzernunternehmen als verbundene Unternehmen zu klassifizieren sind oder ob nur die Unternehmen des jeweiligen Teilkonzerns als Unternehmensverbund gelten.[3] Dies stellt eine unbefriedigende Rechtslage dar.

Darüber hinaus ist gem. § 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB eine Befreiung nicht möglich, sofern das zu befreiende Mutterunternehmen einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihm ausgegebene Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt. In diesem Fall ist die Voraussetzung zur Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses ebenso nicht gegeben, da ein Gesamt-Konzernabschluss mit befreiender Wirkung von der (obersten) Konzernspitze nicht erstellt werden könnte, auch wenn dies beabsichtigt wäre.[4] Verbundbeziehungen zwischen einem Mutterunternehmen und etwaigen kapitalmarktorientierten Tochterunternehmen, die gleichzeitig Mutterunternehmen sind und i...

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