Eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO kann unter den Voraussetzungen der §§ 129131 AO berichtigt, zurückgenommen und widerrufen werden.[1] Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Vergangenheit kommt danach insbesondere in Betracht, wenn

  • die Auskunft durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist oder
  • die Rechtswidrigkeit der Auskunft dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.[2]

Über die Fälle der §§ 129131 AO hinaus kann eine verbindliche Auskunft nach § 2 Abs. 4 StAuskV auch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft unrichtig war.[3]

6.1 Rechtswidrigkeit einer verbindlichen Auskunft

Eine verbindliche Auskunft ist materiell rechtswidrig und damit rechtswidrig i. S. d. § 2 Abs. 4 StAuskV, wenn sie

  • ohne Rechtsgrundlage oder
  • unter Verstoß gegen materielle Rechtsnormen erlassen wurde oder
  • ermessensfehlerhaft ist.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens, also der Bekanntgabe der verbindlichen Auskunft, an.

 
Achtung

Änderung der Rechtsprechung ist keine Änderung der Rechtslage

Eine Änderung der Rechtsprechung stellt keine Änderung der Rechtslage dar, weil die bisherige Rechtsauffassung nur richtiggestellt wird, sie also die von Anfang an bestehende Rechtslage klarstellt. Daher ist eine verbindliche Auskunft von vornherein unrichtig i. S. d. § 2 Abs. 4 StAuskV, wenn sie von einem nach ihrer Bekanntgabe ergangenen FG- oder BFH-Urteil oder einer später ergangenen Verwaltungsanweisung abweicht. Sie ist nicht unrichtig geworden, ihre Unrichtigkeit wurde lediglich erst nachträglich erkannt.

Die Aufhebung oder Änderung steht im Ermessen der Finanzbehörde.[1] Eine Aufhebung oder Änderung mit Wirkung für die Zukunft ist z. B. sachgerecht, wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung des der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung oder durch eine Verwaltungsanweisung zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert hat.

Dem Vertrauensschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung oder Änderung nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen darf. War der Sachverhalt im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung bereits im Wesentlichen verwirklicht, bleibt die Bindungswirkung bestehen, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht.

Der Widerruf einer rechtmäßigen verbindlichen Auskunft ist i. d. R. nur dann ermessensgerecht, wenn der Steuerpflichtige sein Vertrauen noch nicht betätigt hat und kein besonderes steuerliches Interesse am Fortbestand der verbindlichen Auskunft besteht.[2]

6.2 Anhörungsrecht vor Änderung der Auskunft

Der betroffene Steuerpflichtige muss vor Korrektur einer verbindlichen Auskunft gem. § 91 Abs. 1 AO gehört werden.[1] Er sollte sich bei der Anhörung auf die Möglichkeit der Behörde berufen, aus Billigkeitsgründen von einem Widerruf der verbindlichen Auskunft abzusehen oder die Wirkung des Widerrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen.

Eine solche Billigkeitsmaßnahme wird i. d. R. jedoch nur dann geboten sein, wenn der Steuerpflichtige sich nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von den im Vertrauen auf die Auskunft getroffenen Dispositionen oder eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann.[2]

Wichtig ist: Steuerbescheide, die vor der Korrektur der verbindlichen Auskunft ergangen und abänderbar sind, werden nicht aus Gründen korrigiert, die zur Aufhebung bzw. Abänderung der verbindlichen Auskunft geführt haben, soweit dies nicht aus anderen Gründen für den Steuerpflichtigen vorteilhaft wäre.

Achten sollten Steuerpflichtige darauf, dass Steuererklärungen bzw. Steuerbescheide für Veranlagungszeiträume vor der Abänderung der verbindlichen Auskünfte so abgegeben bzw. erlassen werden, als ob die ursprüngliche verbindliche Auskunft noch existiert (soweit sie das noch für vorteilhaft erachten).

Eine verbindliche Auskunft schränkt die Änderungsbefugnis bei einer Vorbehaltsfestsetzung oder bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen nicht ein.[3]

[2] Tz. 3.6.8. AEAO zu § 89 AO.
[3] FG Nürnberg, Urteil v. 21.9.2010, 2 K 921/2008.

6.3 Folgen des Widerrufs einer verbindlichen Auskunft für das Klageverfahren

Widerruft das Finanzamt eine verbindliche Auskunft, ist das Klageverfahren gegen eine Steuerfestsetzung, für die die verbindliche Auskunft ohne den Widerruf bindend wäre, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Widerruf gemäß § 74 FGO auszusetzen.[1]

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