Leitsatz

1. Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.

2. Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1, Abs. 2 EStG, § 255, § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, § 26 GmbHG, § 32a Abs. 1, Abs. 3 GmbHG a.F.

 

Sachverhalt

Der Kläger war gemeinsam mit seinen drei Brüdern an einer GmbH beteiligt, für deren Schulden er sich verbürgt hatte. Ende 2009 stellte die GmbH den Geschäftsbetrieb ein und veräußerte ihr gesamtes Vermögen. Im Jahr 2010 erzielte die GmbH mit der Bank einen Teilforderungsverzicht. Der Kläger und seine Brüder leisteten Zuführungen in die Kapitalrücklage der GmbH. Mit dem eingelegten Geld führte die GmbH ihre restlichen Bankverbindlichkeiten zurück. Anschließend veräußerten der Kläger und seine Brüder ihre Anteile an der GmbH zum Preis von jeweils 0 EUR an einen Dritten. FA und FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2014, 11 K 3617/13 E, Haufe-Index 8732157) haben die Einlagen bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt. Die Zahlungen seien durch das private Interesse der Gesellschafter an ih­rer Enthaftung veranlasst gewesen. Die Inanspruchnahme des Klägers als Bürge hätte nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten geführt.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.

 

Hinweis

1. Mit Beschluss vom 11.10.2017 (IX R 5/15, BFH/NV 2018, 107, BStBl II 2018, 18, m. Anm. Ratschow, BFH/PR 2018, 23) hatte der BFH das BMF zum Beitritt aufgefordert und die Frage aufgeworfen, ob Zuzahlungen des Gesellschafters in jedem Fall und zu jedem Zeitpunkt zu nachträglichen Anschaffungskosten führen und bei der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind, oder ob möglicherweise ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vorliegen könnte. In ihrem ersten Teil zielte die Frage auf das Handelsrecht. Setzt die wortreiche Definition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB wirklich nur voraus, dass der Gesellschafter der Gesellschaft Geld zu deren freier Verfügung überlässt? In ihrem zweiten Teil ging die Frage dahin, ob die Gesellschaft überhaupt frei verfügen kann, wenn sie planmäßig die Hauptschuld tilgt, an der die Bürgenhaftung akzessorisch hängt. Die Besprechungsentscheidung enthält die Antworten des BFH:

2. Handelsrechtlich geht der BFH nun (ohne jede Einschränkung) davon aus, dass jede Zuzahlung des Gesellschafters zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führt (Leitsatz 2). Er beruft sich dabei vor allem auf zwei Urteile des I. Senats, die freilich zu ganz anderen Sachverhalten ergangen sind, und führt im Übrigen ergänzend aus, die Zuzahlung stehe allein der Gesellschaft zu. Der Gesellschafter könne dieses Geld nicht mehr für sich nutzen. Es komme deshalb auch nicht darauf an, was die Gesellschaft mit dem ihr zugewandten Geld mache.

a) Konsequenterweise ist es deshalb auch nicht von Belang, wenn die Gesellschaft das Geld dazu verwendet, um die Hauptschuld zu tilgen und dadurch den Gesellschafter von seiner Bürgenhaftung befreit.

b) Unerheblich ist auch, ob der Bürge bei seiner (drohenden) Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und im Hinblick auf den wahrscheinlichen Ausfall mit seiner Regressforderung nachträgliche Anschaffungskosten hätte geltend machen können. Die Zuführung von Eigenkapital führt nach der Ansicht des BFH (ohne Wenn und Aber) zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Eine "übergreifende wirtschaftliche Betrachtungsweise", also insbesondere eine durch die Rechtsperson der GmbH hindurchblickende Betrachtungsweise, findet nicht statt. Der Gesellschafter leiste auf seinen Anteil, die Gesellschaft leiste auf ihre Schuld. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Insofern bestehe jedenfalls kein wirtschaftlicher Zusammenhang.

3. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) liege schon deshalb nicht vor, weil es dem Gesellschafter freistehe, seiner Gesellschaft Geldmittel zuzuwenden, wann immer er es wolle. Dies sei vom Gesetz so vorgesehen.

4. Damit schlägt das Pendel gewissermaßen zurück. Nach der grundlegenden Neuorientierung der Rechtsprechung zu § 17 EStG und Aufgabe des erweiterten Anschaffungskostenbegriffs (BFH, Urteil vom 11.1.2017, IX R 36/15, BFH/NV 2017, 674, BStBl II 2017, 683, m. Anm. Ratschow, BFH/PR 2017, 381; s. auch 1. Leitsatz) war zunächst anzunehmen, dass nachträgliche Anschaffungskosten in Zukunft seltener vorkommen würden als unter der alten Rechtslage, denn eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital findet von Rechts wegen nicht mehr statt. Im Lichte de...

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