Leitsatz

Die Abgabe von speziellen Zytostatika zur ambulanten Krebstherapie durch eine Krankenhausapotheke kann als eng mit dem Krankenhausbetrieb zusammenhängender Umsatz steuerfrei sein.

 

Sachverhalt

Die Klägerin unterhielt ein Krankenhaus mit einer sog. Institutsermächtigung gemäß § 116a SGB V und war zur Deckung einer vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellten Unterversorgung ermächtigt, ambulante Behandlungen durchzuführen. Im Zusammenhang mit ambulanten Chemotherapien zur Krebsbehandlung wurden von der Krankenhausapotheke Zytostatika an die Patienten abgegeben. Das Krankenhaus behandelte die Leistungen als eng mit dem Krankenhausbetrieb verbundene steuerfreie Umsätze. Es würde auch kein Wettbewerb mit öffentlichen Apotheken bestehen, da nur wenige Apotheken in Deutschland technisch in der Lage seien, solche Zytostatika zeitnah herzustellen. Die Finanzverwaltung unterwarf die Umsätze als nicht begünstigte Umsätze dem Regelsteuersatz, dagegen richtete sich die Klage des Krankenhauses.

 

Entscheidung

Das Gericht hat der Klage als zulässig und begründet stattgegeben. Die Abgabe der Zytostatika stellt eine eng mit dem Betrieb des Krankenhauses verbundene Leistung dar, die nach § 4 Nr. 16 UStG a.F. (jetzt inhaltlich vergleichbar § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG) steuerfrei ist. Abweichend vom Grundsatz, dass Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen sind, verlangt der Begriff der mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze keine besonders enge Auslegung, da durch die Befreiung gewährleistet werden soll, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder eng mit ihnen verbundene Umsätze der Steuer unterworfen wären. Solche eng verbundenen Umsätze liegen vor, wenn sie als Nebenleistung zu einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung anzusehen sind, also keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.

Nach den Gesamtumständen ist die Abgabe der Medikamente von der Krankenhausbehandlung nicht trennbar. Der Patient erhält im Rahmen einer Chemotherapie eine Behandlung, die hauptsächlich in der Verabreichung der Zytostatika unter ärztlicher Aufsicht in den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Räumen besteht. Die daneben erbrachte zeitnahe und individuelle Herstellung der für die jeweilige Behandlung erforderlichen Medikamente stellt ein Mittel dar, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung (jetzt Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 4 UStAE) kann sich kein Unterschied daraus ergeben, ob die Heilbehandlung im Rahmen einer stationären Aufnahme der Patienten oder ambulant erfolgt.

Die Abgabe von Zytostatika durch die Klägerin ist für die Krankenhausbehandlung als unerlässlich anzusehen. Unerlässlich für eine Haupttätigkeit ist eine damit eng verbundene Leistung auch dann, wenn sie die Ausübung der Haupttätigkeit objektiv erheblich fördert. Ein vorheriger Erwerb der Zytostatika in einer öffentlichen Apotheke nach Rezepterstellung durch den Krankenhausarzt ist den schwerkranken Patienten nach Auffassung des Gerichts nicht zuzumuten.

 

Hinweis

Die Entscheidung erging noch zu der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung des § 4 Nr. 16 UStG. Die Krankenhausbehandlung ist seit dem 1.1.2009 nach Neufassung des § 4 UStG in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG übernommen worden. Auswirkungen auf das Urteil des Finanzgerichts ergeben sich dadurch aber nicht, da weiterhin die eng mit der Krankenhausbehandlung zusammenhängenden Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Das Urteil kann sich aber nur auf spezielle, im Regelfall nicht von öffentlichen Apotheken hergestellte Medikamente beziehen und erfasst nicht die Abgabe von Standardmedikamenten durch eine Krankenhausapotheke an die Patienten.

Auf den im Klageverfahren hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin, die Abgabe der Medikamente - soweit die Steuerbefreiung verneint würde - dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, brauchte das Gericht nicht mehr einzugehen. Die Klägerin hatte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes damit begründet, dass ein Zweckbetrieb nach § 66 AO, jedenfalls aber ein allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO vorliege. Da die ambulante Abgabe von Zytostatika nach § 129a SGB V nur unmittelbar an die Patienten erfolgen dürfe, sei der in § 53 AO genannte Empfängerkreis gegeben. Auch ambulante Patienten erfüllten diese Voraussetzungen; zudem würden die meisten Patienten als hilfsbedürftig gelten, da sie mindestens 75 Jahre alt seien.

Da das Urteil im Widerspruch zu der Auffassung der Finanzverwaltung steht, hat das Gericht die Revision beim BFH zugelassen. Das Verfahren ist unter V R 19/11 beim BFH anhängig.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 12.05.2011, 5 K 435/09 U

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