Einfache Berechnung der Einzelkosten

Die exakten Kosten eines Produkts bzw. einer Produktvariante zu ermitteln ist Aufgabe der Kalkulation. Hierzu werden zunächst die Kosten (Einzelkosten) ermittelt, die auf Basis von Stücklisten und Arbeitsplänen einzelnen Produkten eindeutig zugeordnet werden können. Durch Multiplikation der Materialeinsatzmenge mit dem Materialeinstandspreis bzw. von Fertigungszeit und Fertigungsstundensätzen ergeben sich exakt die durch das Produkt oder deren Varianten verursachten Material- oder Fertigungseinzelkosten.

Probleme bei Gemeinkosten

Weitaus schwieriger gestaltet sich die Ermittlung der Kosten einer Produktvariante, wenn es um die Verrechnung der allgemeinen Kosten eines Unternehmens, nämlich der Gemeinkosten, geht.

2.1 Verursachungsgerechte Verrechnung variantenabhängiger Gemeinkosten

Traditionelle Zuschlagskalkulation ungenau

Traditionell und noch immer weit verbreitet findet die Verteilung der Gemeinkosten über prozentuale Zuschlagssätze auf Basis der Einzelkosten statt. Diese Zuschlagssatzrechnung ist aber gerade mit Blick auf die Bewertung einzelner Produktvarianten sehr ungenau, da sie den Zusammenhang zwischen Gemeinkosten und Produktvielfalt nicht hinreichend abbildet. So wird beispielsweise

  • Logistikaufwand in Prozent von Materialeinzelkosten,
  • technischer Verwaltungsaufwand in Prozent der Fertigungseinzelkosten und
  • sonstiger Dienstleistungs- und Verwaltungsaufwand (z. B. Aufwand des Rechnungswesens, der Personalabteilung u. a.) prozentual auf Basis der Herstellkosten eines Produkts

verrechnet. Eine solche prozentuale Abhängigkeit der Dienstleistungs- und Verwaltungsaufwendungen zur Höhe von Materialeinzel-, Lohneinzel- oder Werkstattgemeinkosten ist jedoch häufig nicht gegeben. Vielmehr entsteht derartiger Verwaltungs-, Dienstleistungs- und Logistikaufwand in vielen Fällen erzeugnis-, typ- bzw. variantenabhängig.[1]

Die prozentuale Verrechnung der allgemeinen Kosten führt oftmals sogar zu einer nicht mehr vertretbaren Unschärfe, die gravierende Verzerrungen in der Kostenzuordnung bewirkt. Eine Folge davon ist, dass die Großserienerzeugnisse ("Renner") zu teuer und die Kleinserienerzeugnisse ("Exoten") zu billig kalkuliert werden. Es findet damit eine Quersubvention innerhalb der Produktpalette statt, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:

 
"Exote": 100 Stück "Erzeugnis 5512"    
Herstellkosten à 527,-- EUR/Stück 52.700,-- EUR
zuzüglich 6 % Verwaltungskosten (technische und kaufmännische Verwaltung) à 31,62 EUR/Stück 3.162,-- EUR
"Renner": 10.000 Stück "Erzeugnis 5513"    
Herstellkosten à 250,-- EUR/Stück 2.500.000,-- EUR
zuzüglich 6 % Verwaltungskosten (technische und kaufmännische Verwaltung) à 15,-- EUR/Stück 150.000,-- EUR

Tab. 1:Beispiel für Quersubventionierung innerhalb der Produktpalette

Das Beispiel zeigt, dass nach der traditionellen Zuschlagssatzrechnung ein Produkt, das in einer Kleinserie gefertigt wird (Exote), einen Betrag in Höhe von nur 3.162 EUR für technische und kaufmännische Verwaltung tragen muss. Großserienerzeugnisse (Renner) werden hingegen sogar trotz geringerer Herstellkosten mit 150.000 EUR belastet.

Gemeinkostenanalysen haben jedoch gezeigt, dass die Verwaltung einer Variante mit Stücklistenanlage, Zeichensatzverwaltung, Arbeitsplanpflege, Preispflege usw. grundsätzlich Aufwendungen pro Jahr in Höhe von 15.000 EUR und mehr verursachen kann. Die Proportionalität von Verwaltungsaufwand und Herstellkosten – wie es die Zuschlagskalkulation darstellt – ist nur bedingt gegeben.

Kostenverteilung verfälscht Produktrendite

Eine den tatsächlichen Aufwendungen entsprechende Kostenverteilung auf "Exoten" und "Renner" ist mit dem bisherigen Kalkulationsverfahren nicht gewährleistet. In Anbetracht der scheinbar günstigen Kosten von Exoten besteht damit auch keine Notwendigkeit, das Angebot derselben infrage zu stellen. Ein aktives Variantenmanagement mit dem Ziel der Begrenzung der Variantenanzahl unterbleibt. Umgekehrt besteht durchaus die Gefahr, dass Renner zu teuer und damit wettbewerbsnachteilig am Markt angeboten werden müssen.

[1] Vgl. Reiners/Sasse (1999), S. 229.

2.2 Variantenkalkulation als Anreiz für ein aktives Variantenmanagement

Effizienz durch Variantenkalkulation

Die hohe Variantenrelevanz vieler Unternehmensprozesse bei gleichzeitig ungenügender Abbildung der entsprechenden Variantenkosten in der traditionellen Kostenrechnung verstärkt den Wunsch nach einer expliziten Variantenkalkulation. Gelingt es, die durch eine Variante verursachten Kosten dieser verursachungsgerecht zu zuordnen, so werden

  • Kosteneinsparpotenziale bzw. Mehrkosten aufgezeigt, die sich durch den Wegfall oder das Angebot von Varianten ergeben können, und damit
  • Potenziale zur Effizienzsteigerung offengelegt (Kostengestaltungsfunktion),
  • Anreize für ein Management und insbesondere für eine Begrenzung der Varianten- bzw. Typen-Vielfalt geschaffen (Ordnungsfunktion),
  • Subventionen von kleinstückzahligen Erzeugnisse durch Großserienerzeugnisse unterbunden (Preisbildungsfunktion).

Diese Transparenz der Variantenkosten fördert die Bereitschaft, die Produktprogramm-Komplexität infrage zu stellen. Gleichzeitig darf die Erweiterung des ...

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