Leitsatz

Eine für das vorangegangene Kalenderjahr geschuldete und zu Beginn des Folgejahrs entrichtete USt-Vorauszahlung ist als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe im vorangegangenen Veranlagungszeitraum abziehbar.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 3, § 11 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 13, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG, § 197 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Er behandelte die am 6.1.2000 gezahlte USt-Vorauszahlung für das IV. Quartal 1999 als Betriebsausgabe des Streitjahrs 1999.

Das FA versagte den Abzug.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Klage statt.

Der Einwand des FA gegen die Qualifizierung der USt-Vorauszahlung als regelmäßig wiederkehrende Leistung, dass in einigen Voranmeldungszeiträumen an die Stelle einer Zahlung ein Erstattungsanspruch treten könne, sei unerheblich. Die regelmäßige Wiederkehr beziehe sich auf die Zeit und nicht auf die Gleichmäßigkeit des Betrags, sodass unschädlich sei, wenn einmal gar keine Zahlung zu leisten sei. Der Hinweis auf die Ungleichbehandlung von Erstattung und Vorauszahlung spreche nicht für eine andere Gesetzesauslegung. Denn der rechtliche Anwendungsbereich des § 11 EStG werde nicht berührt, wenn USt-Erstattungen wegen der nach § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde nicht (mehr) innerhalb kurzer Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs zufließen würden.

Der IV. Senat hat auf Anfrage der Entscheidung des XI. Senats zugestimmt.

 

Hinweis

1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, als in diesem Kalenderjahr bezogen. Diese Vorschrift gilt für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben entsprechend (§ 11 Abs. 2 Satz 2 EStG).

Der Unternehmer hat gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung abzugeben (so im Streitjahr 1999) bzw. auf elektronischem Weg zu übermitteln. Die Vorauszahlung ist am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

2. Der BFH hat in dem Urteil vom 28.1.1960, IV 226/58 S (BStBl III 1960, 291) die Ansicht vertreten, dass die USt nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Leistungen i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gehört.

In dem Urteil vom 3.6.1975, VIII R 47/70 (BStBl II 1975, 696) hat er Zinsen für ein Sparguthaben, die zu Beginn des Jahrs gutgeschrieben werden, wirtschaftlich dem Vorjahr zugerechnet. Entscheidend sei, dass die Einnahmen ihrer Natur nach wiederkehren; es sei nicht erforderlich, dass sie bei dem jeweiligen Steuerpflichtigen regelmäßig oder in gleichbleibender Höhe wiederkehrten.

Mit Urteil vom 24.7.1986, IV R 309/84 (BStBl II 1987, 16) hat der BFH entschieden, die für den Dezember des Vorjahrs Anfang Januar des Folgejahrs geleisteten Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung seien regelmäßig wiederkehrende Leistungen. Er hat damit seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 10.10.1957, IV 98/56 (BStBl III 1958, 23) aufgegeben, wonach diese Abschlagszahlungen wegen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters und des Fehlens eines festen Zahlungs- und Fälligkeitstermins keine regelmäßig wiederkehrenden Leistungen seien.

3. Der Begriff der regelmäßig wiederkehrenden Leistung wird auch in § 197 Abs. 2 BGB verwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss sich der Anspruch seiner Natur nach auf Leistungen richten, die regelmäßig wiederkehren (Urteil vom 10.7.1986, III ZR 133/85, BGHZ 98, 174).

Die regelmäßige Wiederkehr beziehe sich nicht auf die Höhe des Betrags. Deshalb stehe es der Annahme einer wiederkehrenden Leistung auch nicht entgegen, wenn sich zu einem der regelmäßig wiederkehrenden Termine gar kein Anspruch ergebe (BGH, Urteil vom 23.9.1958, I ZR 106/57, BGHZ 28, 144). Unerheblich sei auch, ob der Anspruch bereits dem Grunde nach vorher entstanden sei und nur regelmäßig wiederkehrend fällig werde oder ob er regelmäßig wiederkehrend neu entstehe (BGH, Urteil vom 10.10.1986, III ZR 11/04, BGHZ 98, 174).

Der BFH hat sich in dem Urteil vom 24.7.1986, IV R 309/84 (BStBl II 1987, 16) ausdrücklich der zivilrechtlichen Bestimmung des Begriffs der wiederkehrenden Leistung auch für § 11 EStG angeschlossen.

4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des BFH muss die Rechtsprechung in dem Urteil vom 28.1.1960, IV 226/58 S (BStBl III 1960, 291), wonach die USt-Vorauszahlungen nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Leistungen i.S.d. § 11 EStG gehören, als überholt angesehen werden. Denn das Ende des jeweiligen Voranmeldungszeitraums (Kalendermonat oder Kalendervierteljahr) kehrt regelmäßig wieder und es entsteht regelmäßig wiederkehrend eine Zahlungspflicht, soweit diese nicht ausnahmsweise wegen des Fehlens jeglicher Umsätze oder des Bestehens eines Erstatt...

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