Sachverhalt

Bei dem bulgarischen Verfahren ging es um die Unternehmereigenschaft eines privaten Gerichtsvollziehers, soweit er weitere Leistungen erbringt, die nicht in den Tätigkeitsbereich eines Gerichtsvollziehers fallen. Der Kläger hatte vom bulgarischen Justizminister die Befugnisse eines privaten Gerichtsvollziehers im Gebiet der Stadt Sofia erhalten und war wegen dieser Tätigkeit in Bulgarien als Unternehmer registriert. Art. 2 des bulgarischen Gesetzes über die privaten Gerichtsvollzieher bestimmt, dass ein privater Gerichtsvollzieher eine Person ist, die der Staat mit der Zwangsvollstreckung privater Forderungen betraut.

Im Jahr 2008 hatte der Kläger mit einer bulgarischen Gesellschaft B einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Danach verpflichtete sich der Kläger, im eigenen Namen und für Rechnung von B an der Versteigerung von Immobilien teilzunehmen und unter Anwendung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns Kaufgebote abzugeben. Für den Fall, dass er den Zuschlag erhielt, verpflichtete sich der Kläger, der B das Eigentumsrecht an allen in Erfüllung des Vertrags erworbenen Immobilien zu übertragen. B stellte dem Kläger die notwendigen finanziellen Mittel für die Besorgung der Geschäfte bereit. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger eine pauschale Geschäftsbesorgungsvergütung sowie eine erfolgsgebundene Vergütung für jede einzelne erworbene Immobilie.

Die beklagte bulgarische Finanzbehörde ging davon aus, dass der Kläger die Vergütungen für eine von ihm erbrachte steuerpflichtige Dienstleistung gemäß Art. 12 MwStG-BG erhalten habe, so dass er insoweit als Unternehmer anzusehen sei und hatte die Vergütungen der MwSt unterworfen.

Der Kläger verneinte eine sich aus seiner Geschäftsbesorgungstätigkeit ergebende Unternehmereigenschaft, weil diese Tätigkeit gelegentlich bewirkt worden sei und keine Verbindung zu der von ihm ausgeübten selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit als privater Gerichtsvollzieher aufweise. Seine Tätigkeit könne nicht als im Sinne von Art. 3 Abs. 2 MwStG-BG systematisch und gewerbsmäßig eingestuft werden.

Nach Auffassung der bulgarischen Finanzbehörde stellt die Tätigkeit von natürlichen Personen, die einen freien Beruf ausüben, der in der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegenüber einem Dritten besteht, die einen Geldwert hat und nicht die Übertragung des Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts an Gegenständen betrifft, eine Tätigkeit zur Erbringung einer Dienstleistung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 8 MwStG-BG dar. Folglich erfüllten natürliche Personen, die einen freien Beruf ausüben, sowohl die Kriterien für die Selbständigkeit als auch die Kriterien für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 MwStG-BG. Da der Kläger als Gerichtsvollzieher zur MwSt registriert sei und einen freien Beruf ausübe, sei die von ihm nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag erbrachte Dienstleistung steuerpflichtig.

Der EuGH musste prüfen, ob die Geschäftsbesorgungstätigkeit des Klägers im vorliegenden Fall eine (wirtschaftliche) Tätigkeit ist, die im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird.

Nach Ansicht der EU-Kommission ging es im Ausgangsverfahren um einen Kommissionsvertrag i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL und das Verfahren betreffe Lieferungen von Gegenständen. Das Vorlagegericht als auch die bulgarische Regierung und die rumänische Regierung gingen bei ihrem Vortrag von einem Geschäftsbesorgungsvertrag und einer Dienstleistung des Klägers aus.

 

Entscheidung

Der EuGH musste in seiner Entscheidung von den Feststellungen des Vorlagegerichts ausgehen und hat den Vertrag des Klägers als Geschäftsbesorgungsvertrag eingestuft damit Dienstleistungen (und nicht Lieferungen) des Klägers unterstellt.

Nach dem Urteil folgt aus Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL (danach gelten Personen, die nur gelegentlich einen in der Regel von einem Erzeuger, Händler oder Dienstleistenden getätigten Umsatz bewirken, grundsätzlich nicht als Steuerpflichtige (Unternehmer) nicht zwangsläufig, dass ein in einem bestimmten Tätigkeitsbereich agierender Steuerpflichtiger, der gelegentlich einen Umsatz in einem anderen Tätigkeitsbereich bewirkt, für diesen Umsatz als Nichtunternehmer anzusehen ist. Der EuGH begründet dies mit dem 5. Erwägungsgrund der MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten in das Mehrwertsteuersystem auch Personen einbeziehen, die nur gelegentlich Umsätze tätigen. Art. 12 Abs. 1 MwStSystRL i.V.m. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ist demnach so auszulegen, dass er sich nur auf Personen bezieht, die nicht bereits für ihre wirtschaftliche Haupttätigkeit Unternehmer sind. D.h. bei bestehender Unternehmereigenschaft in einem bestimmten Bereich fallen auch gelegentliche Umsätze in einem anderen Bereich unter den Begriff des Unternehmers (bzw. des Unternehmens).

 

Hinweis

Das Urteil bestätigt die deutsche Rechtslage. Nach deutschem Recht stellt eine Geschäftsbesorgungstätigkeit grundsätzlic...

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