Sachverhalt

Bei dem bulgarischen Verfahren ging es um die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs nach bulgarischem Recht auf frühere Anschaffungen eines Unternehmers, der aus dem Unternehmensregister gestrichen worden war. Das Gericht stellte Vorlagefragen zur Auslegung von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL und zu den Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage in Art. 74 und die Mindestbemessungsgrundlage in Art. 80 MwStSystRL. Nach Art. 18 Buchst. c MwStSystRL können die Mitgliedstaaten mit Ausnahme der in Artikel 19 genannten Fälle (Geschäftsveräußerung im Ganzen) den Besitz von Gegenständen durch einen Unternehmer oder seine Rechtsnachfolger bei Aufgabe seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, wenn die Gegenstände bei ihrer Anschaffung oder bei ihrer Verwendung nach Art. 18 Buchst. a MwStSystRL zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, einer entgeltichen Lieferung gleichstellen.

Der Kläger war nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BG-MwStG wegen Nichtentrichtung geschuldeter MwSt für mehrere Steuerzeiträume aus dem Unternehmensregister gestrichen worden. Für einen solchen Fall bestimmt Art. 111 BG-MwStG, dass zum Zeitpunkt der Streichung aus dem Register angenommen wird, dass die Person einen Umsatz im Sinne mit allen vorhandenen Gegenständen und/oder Dienstleistungen bewirkt, hinsichtlich derer sie vollständig oder teilweise die Vorsteuer abgezogen hat. Dementsprechend hatte die bulgarische Finanzbehörde auf die noch vorhandenen Wirtschaftsgüter, insbesondere geleaste Fahrzeuge, MwSt auf Basis des Normalwerts festgesetzt. Der Kläger rügte die Höhe der Bemessungsgrundlage und machte geltend, dass die nach der Anschaffung des Vermögensgegenstands eingetretenen Wertminderungen zu berücksichtigen seien.

 

Entscheidung

Der EuGH hat zur ersten Vorlagefrage - überraschend - entschieden, dass nach dem Wortlaut von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL der Fall der Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit ohne Unterscheidung nach den Ursachen oder den Umständen der Aufgabe allgemein geregelt sei und lediglich die Fälle der Geschäftsveräußerung im ganzen ausgeschlossen seien. Daher ist nach der Entscheidung von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL auch eine Geschäftsaufgabe erfasst, die sich aus der Streichung des Unternehmers aus dem Mehrwertsteuerregister eines Mitgliedstaats ergibt. Somit stellt Art. 18 Buchst. c MwStSystRL - was nach dem Wortlaut näher gelegen hätte - nicht auf eine (aktive) Geschäftsaufgabe durch den Unternehmer ab.

Die Fragen, ob im Fall der Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit die Steuerbemessungsgrundlage für den Umsatz nach Art. 18 Buchst. c MwStSystRL der "Normalwert" der zum Zeitpunkt der Aufgabe vorhandenen Gegenstände ist, die die Wertentwicklung dieser Gegenstände zwischen dem Zeitpunkt ihrer Anschaffung und dem Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe nicht berücksichtigt, hat der EuGH verneint.

Die Anwendung eines Normalwerts nach Art. 80 MwStSystRL (für Umsätze zwischen verbundenen Personen) war im vorliegenden Fall ausgeschlossen sein, da die Vorschrift die Möglichkeiten für diese Fälle abschließend aufzählt. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich vielmehr nach Art. 74 MwStSystRL nach dem Einkaufspreis bzw. den Selbstkosten. Dazu hatte der EuGH bereits entschieden, dass unter dem "im Zeitpunkt der Entnahme festgestellten Einkaufspreis" gemäß Art. 74 MwStSystRL der Restwert des Gegenstands im Zeitpunkt der Entnahme zu verstehen ist (vgl. EuGH-Urteil v. 17.5.2001, C-322/99 und C-323/99 (Fischer und Brandenstein). Zu dem in Art. 74 MwStSystRL ebenfalls genannten Umsatz in Form der Zuordnung eines Gegenstands hat der EuGH zudem ausgeführt, dass die Bemessungsgrundlage der zum Zeitpunkt der Zuordnung ermittelte Wert des betreffenden Gegenstands ist, der dem Marktpreis eines gleichwertigen Gegenstands unter Berücksichtigung der Kosten für den Umbau dieses Gegenstands entspricht (vgl. u. a. EuGH-Urteil v. 8.11.2012, C-299/11 (Gemeente Vlaardingen). Daraus ergibt sich, dass die Bemessungsgrundlage für den Umsatz im Fall der Geschäftsaufgabe der Wert der betreffenden Gegenstände zum Zeitpunkt der Aufgabe ist, der somit die Wertentwicklung der Gegenstände zwischen ihrer Anschaffung und der Aufgabe berücksichtigt.

Abschließend hat der EuGH entschieden, dass Art. 74 MwStSystRL klar und unbedingt die Kriterien für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für Umsätze in Form der Zuordnung von Gegenständen durch einen Unternehmer im Fall der Aufgabe seiner wirtschaftlichen Tätigkeit festlegt. Die Vorschrift eröffnet damit ein unmittelbares Berufungsrecht.

 

Hinweis

Das deutsche Umsatzsteuerrecht ist von dem Urteil nicht betroffen. Deutschland macht von Art. 18 Buchst. c MwStSystRL keinen Gebrauch.

Die Unternehmereigenschaft nach dem UStG endet mit dem letzten Tätigwerden. Der Zeitpunkt der Einstellung oder Abmeldung eines Gewerbebetriebes ist unbeachtlich. (Abschnitt 2.6. Abs. 6 Satz 1 und 2 UStAE). Die durch Betriebsaufgabe bedingte Überführung von Gegenständen aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermöge...

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