Zusammenfassung

  • Die viel beschriebenen Dynamiken der VUCA-Welt konfrontieren Unternehmen zunehmend mit unvorhersehbaren Ereignissen und sogar mit existenzgefährdenden Risiken – wie die Folge- und Nebenwirkungen der Pandemie zeigen.
  • In diesem turbulenten Kontext sind Unternehmen herausgefordert, wenn nicht sogar gezwungen, ihre strategischen und operativen Früherkennungs- und Anpassungsfähigkeiten laufend unter Beweis zu stellen.
  • Fähigkeiten zur Früherkennung und Vorsteuerung werden folglich "must-haves" der Unternehmenssteuerung und erfolgskritische Teilkompetenzen resilienter Unternehmen.
  • Das Forecasting durch den KEPs-Ansatz beruht auf einem monatlichen Diskurs des Management-Teams über Veränderungen der erfolgskritischen Annahmen der Planung und hat sich für die (Vor-)Steuerung in schwierigen Umfeldern bewährt.
  • Durch die Real-Time-Simulation und -Visualisierung der veränderten Annahmen auf die Forecast-Größen EBIT und Cashflow wird eine agile Gegensteuerung ermöglicht und die Fähigkeit zur Planung und zum strategischen Lernen erhöht.

1 Steuerung und Forecasting in der VUCA-Welt: Ziele, Herausforderungen und Ansätze

1.1 Resilienz als Ziel und Fähigkeit der Unternehmenssteuerung

Die Dynamiken der sogenannten VUCA-Welt, geprägt von zunehmender Volatilität und Unsicherheit, setzen bereits seit vielen Jahren die Rahmenbedingungen für Strategieentwicklung, Planung, Risikomanagement und Vorsteuerung von Unternehmen.[1] Durch die hohen Dynamiken und Disruptionen dieser Umweltbedingungen sinken die Strategie- und Performancezyklen und zwingen Unternehmen dazu, ihre Lern-, Anpassungs- und Widerstandsfähigkeiten (Resilienz) laufend zu erhöhen.[2] Infolgedessen weist Gleißner auf die Notwendigkeit hin, sowohl robuste Strategien als auch robuste Planungen zu entwickeln.[3]

Besonders offenkundig wurden die Anforderungen an Resilienz durch die zum Teil existenzbedrohenden Folge- und Nebenwirkungen der Corona-Pandemie, in der Unternehmen über Nacht ihre bestehenden Strategien und Annahmen der Planung revidieren mussten. Vorsteuerung durch rollierende Liquiditäts-Forecastings und Szenarien wurden "must haves" der Unternehmenssteuerung, um die Zukunftsfähigkeit abzusichern.[4]

Versteht man Unternehmen als kontextbezogene ökonomische und soziale Systeme, müssen Unternehmen unter diesen Rahmenbedingungen Lern-/Reflexionsprozesse etablieren, die ein kontinuierliches infragestellen der bestehenden Annahmen über die Zukunftsaussichten ihres Geschäfts und Geschäftsmodells ermöglichen.[5]

Eine Voraussetzung dafür ist es, operative und strategische Früherkennung- und Vorsteuerungsprozesse zu verankern, die einen "[…] Weg aufzeigen, um Zeit zu kaufen und um Gefahren aufzuspüren, bevor sie unhandhabbar werden und um die Gelegenheiten zu erfassen, bevor sie verloren sind."[6]

Diese Fähigkeit zur Antizipation durch das frühzeitige Aufspüren latenter oder eingetretener Veränderungen (Chancen und/oder Risiken) sowie deren Bewertung auf die Unternehmensentwicklung schafft die Voraussetzung für eine wirksame Vorsteuerung. Nach Reeves und Whitaker ist dies ein wesentliches Prinzip und Unterscheidungsmerkmal resilienter gegenüber weniger resilienten Unternehmen (s. Abb. 1).[7]

Abb. 1: Unterschiede resilienter und weniger resilienter Unternehmen in Anlehnung an Reeves[8]

[1] Vgl. Courtney/Kirkland/Viguerie, 1997, S. 67ff.; Probst/Gomez, 1999, S. 11ff.; Hamel/Välikangas, 2003, S. 52ff.; de Geus, 1988, S. 70ff.; Slywotzky/Drzik, 2005, S. 36 ff.; Nagel/Wimmer, 2009, S. 10ff.
[2] Vgl. Reeves/Deimler, 2011, S. 134ff.; Hamel/Välikangas, 2003, S. 52ff.
[3] Vgl. Gleißner, 2021, S. 33ff.
[4] Vgl. Michailov/Grabow, 2020, S. 56ff.; Pauli/Shahabuddin, 2020, S. 16ff.; Michailov, 2020, S. 1ff.
[5] Vgl. Probst/Gomez, 1999, S. 210ff.; Nagel/Wimmer, 2009, S. 69ff.
[6] Krystek/Müller-Stevens, 1993, S. 2.
[7] Vgl. Reeves/Whitaker, 2020, S. 6ff.
[8] Vgl. Reeves/Whitaker, 2020, S. 7.

1.2 Herausforderungen der Vorsteuerung

"Niemand kann die Zukunft vorhersagen."

Lat. Sprichwort

Unternehmen, die wirksame strategische und operative Früherkennung sowie Vorsteuerung in die Controlling-Praxis integrieren wollen, stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen.[1]

Die erste Herausforderung entsteht durch den grundsätzlichen Widerspruch bzw. der Paradoxie, ein zumindest akzeptables Niveau von Strategie- und Planungssicherheit in einem unsicheren und komplexen Umfeld zu erzeugen (s. Abb. 2).[2]

Abb. 2: Paradoxien der Strategieentwicklung und Planung

Die zweite Herausforderung besteht darin, dass zum Umgang mit bzw. zur Auflösung dieser Planungsunsicherheiten eine nahezu unendliche Fülle von Daten und Informationen zur Verfügung steht, aber genau die Erfassung und Verarbeitung dieser Informationen die Komplexität der Annahmen für die Planung weiter erhöht. In der Controlling-Praxis gewinnt der Umgang mit vielschichtigen Datensätzen durch Business Analytics und Business Intelligence daher massiv an Bedeutung. Ziel dieser Ansätze ist es, Prognosequalitäten zu erhöhen und Entscheidungsgrundlagen zu verbessern.[3]

Die dritte Herausforderung betrifft die am Strategie-/Risikomanagementprozess und an der Planung beteiligten Personen selbst. Die gute Absicht, komplexe Informationen zur Erhöhung de...

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