In den bisherigen Ausführungen wurde davon ausgegangen, dass das Unternehmen über eine strategische Krise in eine Erfolgs- und anschließend eine Liquiditätskrise gerutscht ist, und es vor diesem Hintergrund darum geht, sowohl die entstandenen Verluste auszugleichen als auch eine gesunde Basis für den weiteren Geschäftsbetrieb zu schaffen. Diese Überlegung lag auch der im vorherigen Abschnitt dargestellten Fallstudie zugrunde.

Neben dieser Situation ist es aber auch denkbar, dass sich ein Unternehmen durch ein plötzlich eingetretenes, nicht vorhersehbares Ereignis in einer akuten Liquiditätskrise befindet, ohne dass sich in der Vergangenheit große Verluste angehäuft haben oder das Geschäftsmodell insgesamt als nicht tragfähig eingestuft werden muss. In einer solchen Situation kann es nur darum gehen, die Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und das Unternehmen über die Krisensituation zu führen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Eine derartige Lage kann sich bei vielen unerwartet eintretenden, massiven Veränderungen, wie z. B. einer Naturkatastrophe oder einem Cyberangriff ergeben. Besonders deutlich wurde dieser Hintergrund für eine extrem angespannte finanzielle Gesamtlage allerdings im Umfeld der im Jahr 2020 auftretenden Corona-Pandemie und bei energieintensiven Unternehmen durch die auf den Krieg in der Ukraine folgenden massiven Energiekostensteigerungen. Ist die Zahlungsfähigkeit gefährdet, muss es für ein Unternehmen darum gehen, die die Zahlungsfähigkeit bestimmenden Faktoren in einem umfassenden Sinne positiv zu beeinflussen. Die Liquidität eines Unternehmens ergibt sich neben dem vorhandenen Kassenbestand und den Bankguthaben aus den künftigen Ein- und Auszahlungen, woraus folgt, dass zur positiven Beeinflussung der Liquidität die Einzahlungen zunehmen bzw. die Auszahlungen abnehmen müssten.

Kurzfristige Maßnahmen auf der Einzahlungsseite

Auf der Einzahlungsseite stellen höhere Umsatzerlöse zwar eine theoretisch denkbare Option dar, für ein Krisenunternehmen und in einer akuten Krisensituation dürften die Umsatzerlöse aber kaum kurzfristig wesentlich positiv beeinflussbar sein. Auf Ansatzpunkte des reinen Vermögensmanagements wird im nächsten Kapitel noch näher eingegangen. Neben diesen Maßnahmen stellt die Aufnahme von Krediten ein denkbarer Ansatzpunkt dar, jedoch kommt es hier auf eine ausreichende Kreditwürdigkeit des Unternehmens an. Auf die Überlegungen, die ein Kreditgeber an dieser Stelle anstellt, wurde bereits oben eingegangen. Neben Krediten, die von Banken und Sparkassen zur Verfügung gestellt werden, kann in Extremsituationen ggf. auch ein direkter Zuschuss vom Staat erlangt werden. Der große Vorteil eines Zuschusses im Vergleich zu einem Kredit besteht darin, dass er nicht zurückgezahlt werden muss und das Unternehmen damit nach Überwindung der Krisensituation nicht belastet. Selbstverständlich könnten auch finanzielle Mittel, z. B. in Form einer Kapitalerhöhung, der Eigenkapitalgeber einen Beitrag zur Verbesserung der finanziellen Lage des Unternehmens leisten, fraglich ist allerdings, ob die Eigenkapitalgeber hierzu bereit sind und wie lange die Eigenkapitalbeschaffung dauern würde.

Mögliche kurzfristige Maßnahmen auf der Auszahlungsseite

Auf der Auszahlungsseite hat das Unternehmen alle künftigen Auszahlungspositionen kritisch zu hinterfragen. Es ist zu prüfen, welche Wege zur Verminderung oder Verzögerung der Auszahlungsverpflichtungen zur Verfügung stehen. Auf die mit den bereits aufgenommenen Krediten verbundenen Zins- und Tilgungsverpflichtungen wurde oben bereits hingewiesen. Bei den Auszahlungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe oder Handelswaren ist mit den Lieferanten Kontakt aufzunehmen, in ähnlicher Weise gilt dies auch z. B. für die Energieversorgung und die Geschäftspartner, mit denen Leasingverträge abgeschlossen wurden.

Eine regelmäßig große Auszahlungsposition stellen die Löhne und Gehälter dar. Hier wären Gespräche mit den Mitarbeitern oder Mitarbeitervertretungen zu führen. Bei den Eingangsrechnungen, die mit Skonto bezahlt werden könnten, ist zu prüfen, ob die Inanspruchnahme von Skonto durch die Einschaltung eines weiteren Finanzierungsinstituts gesichert werden kann. Das weitere Finanzierungsinstitut bewirkt auf der einen Seite eine Verlängerung des Zahlungsziels und verhindert auf der anderen Seite die Inanspruchnahme des teuren Lieferantenkredits.

In einer äußerst angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation steht auch die Möglichkeit von Kurzarbeit und damit die Verlagerung von Lohn- und Gehaltszahlungen auf die Bundesagentur für Arbeit im Raum. Schließlich sind ggf. noch Auszahlungen an den Staat in Form von Steuerzahlungen bzw. Steuervorauszahlungen zu leisten. Dementsprechend wäre ebenfalls zu prüfen, ob eine Stundung von Steuerzahlungen oder eine Kürzung der Steuervorauszahlungen mit den Steuerbehörden vereinbart werden kann.

 
Praxis-Beispiel

Corona-Pandemie der Jahre 2020–2022

Ein Beispiel für eine extrem angespannte Finanzlage vieler Unternehmen stellt die P...

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