Leitsatz

Zur Unterhaltsrente i.S. von § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG gehören nur regelmäßige monatliche Zahlungen. Regelmäßige Zahlungen, die in größeren Zeitabständen geleistet werden, sowie einzelne Zahlungen und Sachleistungen (z.B. die Überlassung einer Wohnung zu Unterhaltszwecken) sind bei der nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die klagende Mutter und der beigeladene Vater haben einen gemeinsamen studierenden Sohn, der mit einem Kommilitonen in einer 64 qm großen Wohnung lebte und nicht in den Haushalt eines Elternteils aufgenommen war.

Der Beigeladene zahlte dem Sohn zunächst monatlichen Barunterhalt i.H.v. 500 EUR, den er ab September 2014 auf 590 EUR erhöhte. Die Klägerin zahlte von Januar bis August 2014 monatlich 400 EUR und ab September 2014 490 EUR im Monat. Darüber hinaus zahlte sie den Beitrag für das Sommersemester (195 EUR) und das Wintersemester (197 EUR), die Bahncard des Sohnes (120 EUR), Heimfahrt-Tickets (696 EUR), Zahnarztkosten (209 EUR) sowie besondere Ausbildungskosten (85 EUR), zusammen 1.502 EUR. Der Beigeladene hat erklärt, keinen eigenen Kindergeldantrag stellen zu wollen, selbst wenn er einen Anspruch haben sollte.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin ab, weil der Beigeladene den überwiegenden Barunterhalt leiste.

Das FG verpflichtete die Familienkasse, der Klägerin Kindergeld für Januar bis Dezember 2014 zu gewähren (FG Köln, Urteil vom 2.2.2017, 10 K 1851/15, Haufe-Index 10881338). Da § 64 Abs. 3 EStG an die zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen anknüpfe, seien bei der Frage nach der dem Kind gezahlten "höchsten Unterhaltsrente" sämtliche Zahlungen auf den Gesamtbedarf zu berücksichtigen, auch wenn sie unregelmäßig erfolgten. Lediglich darüber hinausgehende Einmal- oder Sonderzuwendungen an das Kind sowie Sachzuwendungen, die nicht dem zivilrechtlichen Gesamtbedarf unterfielen, seien nicht in die Berechnung mit einzubeziehen. Die zusätzlichen Zahlungen der Klägerin seien jedenfalls i.H.v. 1.417 EUR zu berücksichtigen und mit jeweils 1/12 auf die Monate des Jahres 2014 zu verteilen. Einschließlich der monatlichen Regelzuwendung habe die Klägerin damit eine höhere Unterhaltsrente gezahlt als der Beigeladene.

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage, weil der Vater die höhere Unterhaltsrente gezahlt hatte. Sein Verzicht auf Kindergeld war ebenso ohne Bedeutung wie die einzelnen Zuwendungen der Klägerin.

 

Hinweis

1. Kindergeld wird nur an einen Kindergeldberechtigten gezahlt; das Konkurrenzverhältnis mehrerer Berechtigter ist in § 64 EStG geregelt. Lebt das Kind in einem eigenen Haushalt, so ist kindergeldberechtigt, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Gewähren beide Elternteile eine Unterhaltsrente, so erhält das Kindergeld derjenige, der die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG).

2. Ob ein Berechtigter die Voraussetzungen des § 62 EStG erfüllt und wem von mehreren Berechtigten der Kindergeldanspruch zusteht, ist für jeden einzelnen Monat zu entscheiden. Der Vorrang kann dabei auch in kurzer Folge wechseln, z.B. durch wechselnde Haushaltsaufnahme infolge des Auszugs und Wiedereinzugs des zum Berechtigten bestimmten Elternteils während eines Versöhnungsversuchs. Dies gilt auch für den Vorrang nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG, wenn z.B. der Elternteil, der bisher die niedrigere Unterhaltsrente zahlte, diese erhöht, oder wenn die höhere Unterhaltsrente des anderen Elternteils für einen oder mehrere Monate ausfällt.

3. Der Begriff der Unterhaltsrente i.S.v. § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG orientiert sich an der Geldrente i.S.v. § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB. Hiernach ist Unterhalt durch Entrichtung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Geldrente zu gewähren. Unterhaltsrente ist der laufende Barunterhalt. Die Unterhaltsrente ist grundsätzlich sowohl für als auch in dem Monat zu leisten, für den das Kindergeld begehrt wird.

Auf die Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 3 EStG wirken sich daher, wie der BFH schon früher entschieden hatte, weder Sachleistungen noch nachträglich erbrachte Unterhaltsleistungen aus. Die Frage, ob Zahlungen, die gemäß § 11 EStG bis zu zehn Tage vor Beginn oder nach Beendigung des Kalendermonats geleistet werden, für den sie bestimmt sind, als Unterhaltsrente berücksichtigt werden können, brauchte der BFH im Streitfall nicht zu entscheiden.

4. Weil unter einer Rente allgemein regelmäßige Zahlungen verstanden werden, bleiben auch einzelne Zahlungen, mit denen bestehender Unterhalts-, Sonder- oder Mehrbedarf abgedeckt wird oder die ohne konkreten Bedarf geleistet werden, bei der nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung unberücksichtigt. Das betrifft z.B. einzelne Geldzuwendungen für Krankheitskosten, Kfz-Reparaturen, Urlaub oder besondere Ausbildungskosten.

5. Unberücksichtigt bleiben auch regelmäßige Unterhaltszahlungen, die in größeren Zeitabständen als einem Monat...

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