Leitsatz

Die Zahlungsverjährung wird nicht unterbrochen, wenn die vor Ablauf der Zahlungsverjährung abgesandte schriftliche Zahlungsaufforderung dem Zahlungsverpflichteten nicht zugeht (§ 231 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO; Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.11.2002, GrS 2/01, BStBl II 2003, 548).

 

Normenkette

§ 231 Abs. 1 AO , § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Gegen den Kläger waren Kraftfahrzeugsteuerbescheide ergangen und bestandskräftig geworden. Die an ihn mit der Post unter der Anschrift seines Betriebssitzes versandten Mahnungen des FA kamen mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurück. Daraufhin an seine Privatanschrift versandte Mahnungen kamen nicht zurück. Nur eine andere an diese Adresse verschickte Sendung kam später mit dem Vermerk "Aufbewahrungsfrist abgelaufen" an das FA zurück.

Der Kläger macht gegen die Steuerforderungen jetzt Zahlungsverjährung geltend. Die fünfjährige Frist sei abgelaufen, Unterbrechungen seien nicht eingetreten; er habe die angeblichen Mahnschreiben nicht erhalten. Nach Auffassung des FA hingegen haben die Mahnungen die Zahlungsverjährung unterbrochen. Das FA hat dem Kläger einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erteilt.

 

Entscheidung

Der fehlende Zugang einer Mahnung stand für den BFH nach dem tatrichterlichen Urteil bindend fest (§ 118 Abs. 2 FGO), mag er auch die Beweiswürdigung für angreifbar gehalten haben. Die Entscheidung hing nur davon ab, ob der zum Ablauf der Festsetzungsfrist ergangene Beschluss des Großen Senats auf Maßnahmen wie eine Zahlungsaufforderung anwendbar ist, welche die Zahlungsverjährung unterbrechen sollen. Diese unterscheiden sich von den Maßnahmen, auf die sich jener Beschluss bezieht (Wahrung der Frist für die Festsetzungsverjährung durch den Steuerbescheid) vor allem darin, dass sie überwiegend keine Verwaltungsakte sind.

 

Hinweis

1. Die Zahlungsverjährung wird u.a. durch die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen. Hierbei gilt § 169 Abs. 1 Satz 3 AO sinngemäß (§ 231 Abs. 1 AO). Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist "der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat".

Zur fristwahrenden Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs (z.B. durch Mahnung) ist es also ausreichend, wenn die Zahlungsaufforderung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist den Bereich der Finanzbehörde verlässt. Streitig war lange Zeit, ob die Rechtswirkung der Zahlungsaufforderung, nämlich die Unterbrechung der Verjährung, auch dann eintritt, wenn das vom FA abgesandte Schreiben den Empfänger nicht erreicht. Diese Frage verneint die Besprechungsentscheidung im Anschluss an die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (BFH-PR 2003, 282), der zu § 169 Abs. 1 Satz 3 AO entschieden hat, die Festsetzungsverjährung werde nur unterbrochen, wenn der – rechtzeitig abgesandte – Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen – wenn auch möglicherweise erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist – dem Steuerpflichtigen zugeht.

Mit anderen Worten: § 169 Abs. 1 AO schützt das FA nur vor Fristversäumnis infolge verzögerten Zugangs des die Verjährung unterbrechenden Schreibens (Steuerbescheid bzw. Mahnung), nimmt ihm aber nicht die Last des vollen Nachweises des Zugangs desselben, wenn der Steuerpflichtige den Zugang bestreitet. Die Vorschrift ähnelt also nur einer Art gesetzlichen Wiedereinsetzung in die versäumte Verjährungsfrist. Wo Verjährung droht, sollte das FA also stets zum Mittel der förmlichen Zustellung greifen.

2. Ein Erlassantrag ist keine die Zahlungsverjährung unterbrechende oder hemmende Handlung. Folglich muss das FA den Antragsteller während eines Erlassverfahrens zur Zahlung auffordern, wenn Zahlungsverjährung droht!

3. Beachten Sie aber, dass nicht alle Tatbestände, welche die Zahlungsverjährung unterbrechen, voraussetzen, dass der Steuerpflichtige von ihnen Kenntnis erlangt.

4. Mitunter kann auch in Betracht kommen, ihm die Berufung auf die Zahlungsverjährung nach Treu und Glauben zu versagen, so etwa, wenn er statt seine fällige Schuld zu bezahlen einen AdV-Antrag stellt und sich später darauf beruft, er habe die (positive) AdV-Entscheidung des FA nicht erhalten. Hierzu ist in Kürze eine Entscheidung des BFH zu erwarten (Az.: VII R 5/02).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.8.2003, VII R 22/01

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