Leitsatz

1. Unfallschäden teilen steuerrechtlich das Schicksal der Fahrt, auf der sie entstanden sind. Unfallbedingte Schadenersatzleistungen sind daher betrieblich veranlasste Aufwendungen, soweit sich der Unfall auf einer betrieblichen Reise ereignet hat.

2. Beruht die Reise als solche auf einer doppelten Veranlassung, so kann die private Veranlassung der Aufwendungen von untergeordneter Bedeutung sein. Werden aber aufgrund der privaten Mitveranlassung einer Reise erhebliche Unfallkosten ausgelöst, die nicht mehr von untergeordneter Bedeutung sind, so führt dies zu einem Abzugsverbot für diese privat veranlassten Aufwendungen, das die betriebliche Veranlassung der übrigen Aufwendungen unberührt lässt.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Ein Zahnarzt wollte zu einem Kongress mit einem gecharterten Privatflugzeug reisen. Auf die Reise nahm er zwei Fluggäste mit. Beide Gäste waren Lehrer einer Tochter des Arztes und zugleich Patienten. Das Flugzeug stürzte ab; alle Insassen kamen ums Leben. Die Witwen der Lehrer machten Pensionsansprüche gegenüber dem Bundesland geltend. Dieses nahm die Witwe und Erbin des Zahnarztes erfolgreich auf Schadenersatz in Anspruch. Die Schadenersatzleistungen und die Kosten der Rechtsstreite machte die Witwe des Zahnarztes als Betriebsausgaben geltend. Das FA lehnte dies ab. Mit der Klage trugen die Erben der zwischenzeitlich verstorbenen Witwe vor, die Lehrer seien mitgenommen worden, weil sie der Zahnarzt auf dem Kongress als Patienten habe vorstellen wollen. Das FG konnte sich nach eingehender Beweisaufnahme von dieser Behauptung nicht überzeugen und kam zu dem Schluss, die Lehrer seien aus Gefälligkeit mitgenommen worden.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Schadenersatzleistungen seien betrieblich veranlasst, wenn das auslösende Ereignis im Wesentlichen unmittelbare Folge der betrieblichen Tätigkeit sei. Dabei gelte der Grundsatz, dass Unfallschäden das Schicksal der Fahrt teilten, auf der sie entstanden seien. Zusätzlich sei erforderlich, dass das "auslösende Moment" der Erwerbssphäre zuzurechnen sei.

Beruhe eine Reise auf einer doppelten Veranlassung und würden durch den Unfall erhebliche Kosten im Zusammenhang mit der privaten Veranlassung der Reise ausgelöst, führe das zu einem Abzugsverbot für die betreffenden Kosten.

Nach den Feststellungen des FG sei die Mitnahme der Lehrer aus privater Gefälligkeit erfolgt, also außerbetrieblich veranlasst gewesen. Deshalb könnten die dadurch veranlassten Kosten nicht abgezogen werden.

 

Hinweis

1. Die Abziehbarkeit von Unfallkosten war schon häufig Gegenstand der Rechtsprechung. Der BFH hält solche Kosten für abziehbar, wenn das "auslösende Moment" der Erwerbssphäre zuzurechnen sei. Daraus ergibt sich ein zweistufiges Prüfungsverfahren:

×Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob die Fahrt, auf der der Unfall sich ereignete, betrieblich veranlasst war.

×Auf einer zweiten Stufe muss geklärt werden, ob das Unfallereignis selbst der Erwerbssphäre zugeordnet werden kann.

Bei der Beurteilung der zweiten Stufe hat sich die Rechtsprechung bisher als großzügig erwiesen, indem sie etwa Fahrfehler oder Unachtsamkeit nicht der privaten Sphäre zugeordnet hat. Lediglich Unfälle unter Alkoholeinfluss bzw. Drogen werden als außerbetrieblich veranlasst beurteilt.

2. Das Besprechungsurteil bewegt sich auf neuem Terrain, denn es stellt Regeln zur Beurteilung einer doppelt veranlassten Fahrt auf. Eine allgemeine Umschreibung der Doppelveranlassung lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Sie ergab sich im Besprechungsfall daraus, dass der Steuerpflichtige die Reise zum betrieblich veranlassten Besuch eines Kongresses unternahm und andererseits aus privater Gefälligkeit Passagiere mitnahm. Der BFH lässt offen, ob Folgen aus der Doppelveranlassung immer zu ziehen sind oder nur dann, wenn wie hier ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt, das zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit dem außerbetrieblich veranlassten Teil der Reise auslöst. M.E. dürfte die private Veranlassung auch bei vorhersehbaren Kosten nicht unberücksichtigt bleiben. Dies hätte etwa Bedeutung, wenn im Besprechungsfall wegen der Mitnahme von Passagieren ein größeres Flugzeug gechartert worden wäre. Dann wären m.E. die auf der privaten Gefälligkeit beruhenden Mehrkosten ebenfalls nicht abziehbar.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.12.2005, IV R 26/04

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