Gemäß § 1 Abs. 3 EStG i. V. m. § 1 a EStG besteht ferner die Möglichkeit, eine unbeschränkte Steuerpflicht auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu begründen.[1] Voraussetzung ist jedoch, dass der Steuerpflichtige zwar im Ausland ansässig ist, im Inland aber fast ausschließlich seine Einkünfte erzielt. Es handelt sich hier um eine Regelung für sog. Grenzpendler. Voraussetzung für die unbeschränkte Steuerpflicht ist:

  • Antrag des Steuerpflichtigen,
  • kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland,
  • Einkünfte unterliegen im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer oder
  • die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte sind nicht höher als der Grundfreibetrag nach § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (dies sind im VZ 2024 11.604 EUR)[2], wobei sich die Ermittlung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht richtet,[3]
  • Nachweis der ausländischen Einkünfte durch Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde.

Hintergrund der Bestimmung ist, dass bei beschränkt Steuerpflichtigen regelmäßig persönliche Vergünstigungen und andere Freibeträge nicht hinreichend berücksichtigt werden. Dies hat der EuGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 bei Grenzpendlern für europarechtswidrig erklärt.[4] Ob allerdings die jetzige Regelung allen europarechtlichen Bedenken standhält, wird in der Literatur verschiedentlich in Frage gestellt. Für Fälle des sog. Realsplittings ist bei Staatsangehörigen aus der EU und den EWR-Staaten (Island, Norwegen, Liechtenstein) zudem die Sonderregelung des § 1 a EStG zu beachten.[5]

 
Praxis-Beispiel

Unbeschränkte Steuerpflicht

Die Eheleute E sind vor einigen Jahren nach Kanada ausgewandert. Dort erzielen sie aber nur Einkünfte i. H. v. 4.000 EUR. Sie leben von den Vermietungseinkünften in Deutschland i. H. v. 250.000 EUR pro Jahr. Mangels Wohnsitz liegt hier keine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG vor. Auf Antrag wird allerdings eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG gewährt, da die Voraussetzungen gegeben sind.

[1] Hierzu auch H 1a EStR "Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht und unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag",

Heinicke, in Schmidt, EStG. 42. Aufl. 2023, § 1 a EStG Rz. 1 ff.; Lochte, in Frotscher/Geurts, EStG, § 1 EStG Rz. 39 ff.

[2] Der Grundfreibetrag beträgt in den VZ 2010–2012 8.004 EUR, in 2013 8.130 EUR, in 2014 8.354 EUR, in 2015 8.472 EUR, in 2016 8.652 EUR, in 2017 8.890 EUR, in 2018 9.000 EUR, in 2019 9.168 EUR, in 2020 9.408 EUR, in 2021 9.744 EUR, in 2022 10.347 EUR und in 2023 10.908 EUR; s.auch den Überblick bei Lindberg, in Frotscher/Geurts, EStG, § 32 a EStG Rz. 10; aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Grundfreibetrag ständig anzupassen.
[3] Es ist dies ein Grundprinzip des deutschen internationalen Steuerrechts; ausländische Einkünfte sind nach deutschen Steuergesetzen zu ermitteln.
[4] EuGH, Urteil v. 14.2.1995, C-279/93, IStR 1995 S. 126, Fall Schumacker.

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