2.1 Grundtatbestand der unbeschränkten Steuerpflicht

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG ist eine natürliche Person, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, in Deutschland unbeschränkt mit ihrem Welteinkommen einkommensteuerpflichtig.[1] Die Definition des Begriffs "Inland" findet sich hierbei in § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG.[2] Das Welteinkommensprinzip gilt dabei uneingeschränkt grundsätzlich für alle positiven Einkünfte. Zur Behandlung negativer ausländischer Einkünfte sieht § 2 a EStG allerdings beschränkende Sonderbestimmungen vor.[3] Diese gelten jedoch im Wesentlichen nur noch für das Nicht-EU-Ausland, also die sog. Drittstaaten.[4]

Von zentraler Bedeutung ist damit die Frage, wann jemand seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die entsprechenden Definitionen finden sich in § 8 AO zum Wohnsitz sowie in § 9 AO zum gewöhnlichen Aufenthalt. Nach dem deutschen Steuerrecht hat deshalb etwa die Staatsangehörigkeit grundsätzlich keinen Einfluss auf die Steuerpflicht.[5]

[1] Zur EU-Problematik vgl. Heinicke, in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 1 EStG Rz. 5 ff.
[2] Im Regelfall ergibt sich aus dem Begriff des Inlands kein Anwendungsproblem; problematisch kann im Einzefall nur sein, wenn ein Steuerfall gegeben ist, der sich auf dem Meer (vor allem in der Nordsee) abspielt; Lochte, in Frotscher/Geurts, EStG, § 1 EStG Rz. 21 ff.
[3] S. hierzu auch R 2a EStR; maßgebend hierzu die Urteile des EuGH v. 29.3.2007, C-347/04, Rewe Zentralfinanz, BFH/NV Beilage 2007 S. 282 und v. 15.5.2008, C-414/06, Lidl Belgium, BFH/NV Beilage 2008 S. 194; hierzu auch von Brocke, Lidl Belgium und die praktischen Folgen, DStR 2008 S. 2201.
[4] Vgl. Wittkowski/Lindscheid, Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste nach dem JStG 2009, IStR 2009 S. 225.
[5] Etwas anderes gilt nur in wenigen Ausnahmen, vgl. z. B. § 1 Abs. 2 EStG, § 2 AStG, § 2 ErbStG; im Gegensatz zum deutschen Konzept knüpfen etwa die USA bei der Steuerpflicht auch an die Staatsangehörigkeit an, so dass US-Amerikaner in den USA auch dann unbeschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie dort keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben; da zudem die USA bei der Gewährung ihrer Staatsbügerschaft streng auf den Geburtsort abstellen, ist bei Personen, die in den USA geboren sind, stets besondere Sorgfalt auf die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen in den USA zu achten, auch wenn diese Personen etwa in Deutschland wohnen und sich nicht als US-Amerikaner fühlen und auch kein Passdokument der USA haben. Die einzige Möglichkeit, sich der Steuerpflicht in den USA zu entziehen, ist eine ausdrückliche Aufgabe der US-Staatsbürgerschaft, wie dies in der Vergangenheit einige Prominente praktiziert haben.

2.1.1 Wohnsitz

Gemäß § 8 AO hat jemand dort seinen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.[1] An den Begriff Wohnung sind hierbei keine besonders hohen Anforderungen zu stellen.[2] Ausreichend ist eine objektive Eignung der Unterkunft zum Wohnen.[3] Es reichen deshalb etwa auch Jagdhütten oder Wohnwagen aus, allerdings wird man eine gewisse Mindestgröße und einen Mindeststandard für erforderlich halten müssen.[4]

Von zentraler Bedeutung ist, dass der Inhaber der Wohnung das Recht haben muss, über diese zu verfügen und sie auch nicht nur vorübergehend zu nutzen.[5] Der melderechtliche Vorgang des An- und Abmeldens bei der jeweiligen Meldebehörde hat hierbei zwar Indizcharakter, ist jedoch für sich allein nicht ausreichend, um einen Wohnsitz zu begründen bzw. aufzugeben, auch wenn in Deutschland eine Meldepflicht besteht.[6] Aufgrund welchen Rechtsverhältnisses die Verfügungsgewalt besteht, ist unerheblich, so dass neben Eigentum oder Miete auch ein tatsächliches Innehaben ausreichend ist. Hotelzimmer begründen somit nur in dem eingeschränkten Fall einen Wohnsitz, wenn die Vermietung auf Dauer erfolgt. Nicht ausreichend dürfte allerdings eine Mietdauer sein, die von vornherein auf unter 6 Monate begrenzt ist.[7]

Für die Begründung eines Wohnsitzes ist es nicht erforderlich, dass sich an diesem auch der Mittelpunkt der tatsächlichen Lebensinteressen befindet. Insbesondere kann eine Person auch mehrere Wohnsitze innehaben. Lässt sich allerdings ein Mittelpunkt der tatsächlichen Lebensinteressen fixieren, liegt nahe, dass dort auch ein Wohnsitz besteht. Deshalb sind besondere persönliche Beziehungen ein Indiz dafür, dass sich dort auch ein Wohnsitz befindet.

 
Praxis-Beispiel

Doppelte Ansässigkeit

A wird für 2 Jahre von Hamburg nach Stockholm versetzt, um dort eine Filiale aufzubauen. Seine Familie mit schulpflichtigen Kindern bleibt in Hamburg wohnen. Sie besucht ihn an den Wochenenden einmal im Monat. Einmal im Monat fliegt er nach Hamburg. Hier ist davon auszugehen, dass A zwei Wohnsitze hat, da er in Stockholm eine Wohnung hat und seinen Wohnsitz auch in Hamburg beibehalten hat. Er ist damit in Deutschland und Schweden unbeschränkt steuerpflichtig. Die doppelte Ansässigkeit ist über die Kollisio...

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