Allgemeine Missbrauchsbekämpfungsklauseln regeln keine konkreten Sachverhalte, sondern stellen Grundanforderungen an Personen oder Gestaltungen. Diese Vorschriften sollen auch künftige, noch nicht bekannte Steuervermeidungspraktiken verhindern. Am 5. Oktober 2015 stellte die OECD ihre Abschlussberichte zu dem Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) Projekt vor. Der finale Bericht zu Aktionspunkt 6 stellt Vorschriften gegen Treaty Shopping (Abkommensmissbrauch) vor. Die Länder können dabei wählen, ob sie eine Vorschrift zur Abkommensbeschränkung (Limitation-on-Benefits-Regel (LOB)), eine Prüfung des Hauptzwecks-Regel (Principal Purpose Test (PPT)) oder eine Kombination dieser Regeln (LOB und PPT) in ihre DBA aufnehmen.

3.2.1 Muster der Limitation-on-Benefits-Regel

Die OECD schlägt hierzu nachfolgenden Artikel 10 "Schranken für die Abkommensvergünstigungen" vor:

  1. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person hat keinen Anspruch auf alle Vergünstigungen nach diesem Abkommen, wenn sie keine "berechtigte Person" im Sinne von Absatz 2 ist.
  2. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person ist nur dann eine berechtigte Person, wenn sie

    1. eine natürliche Person ist oder
    2. ein Vertragsstaat, eine seiner Gebietskörperschaften oder ein Unternehmen, das zu 100 % im Eigentum eines Vertragsstaates steht, ist oder
    3. ein näher zu bestimmendes börsennotierte Unternehmen und deren Untergesellschaften ist oder
    4. eine näher zu bestimmende gemeinnützige Einrichtung und Pensionsfonds ist oder
    5. andere Einheiten sind, die näher zu bestimmende Eigentumsanforderungen erfüllen oder
    6. eine näher zu bestimmende gemeinsame Geldanlage ist.
  3. Ist eine in einem Vertragsstaat ansässige Person keine berechtigte Person, so hat sie dennoch Anspruch auf alle Vergünstigungen nach diesem Abkommen, die in einem Vertragsstaat ansässige Person ansonsten für aus dem Vertragsstaat bezogene Einkünfte gewährt wird, wenn die ansässige Person im erstgenannten Vertragsstaat aktiv gewerblich tätig ist und die aus dem anderen Vertragsstaat bezogene Einkünfte im Zusammenhang mit dieser gewerblichen Tätigkeit anfallen.
  4. Ist eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft keine berechtigte Person, so hat sie dennoch Anspruch auf alle Vergünstigungen nach diesem Abkommen, wenn sie zu mehr als einem unbedeutenden Teil von einer Person gehalten wird, welche Anspruch auf alle Vergünstigungen hat.
  5. Einer in einem der Vertragsstaaten ansässigen Person, die aufgrund der vorstehenden Absätze keine Vergünstigungen aus diesem Abkommen beanspruchen kann, können diese Vergünstigungen gleichwohl gewährt werden, wenn die zuständige Behörde des Staates dies zulässt.
  6. Für die Zwecke der Absätze 1 bis 5 sind Begriffsbestimmungen notwendig.

In der Fassung vom 22.8.2013 der Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen[1] ist keine LOB-Regel enthalten. Lediglich Artikel 28 des DBA USA enthält eine Limitation-on-Benefits-Regel (zuletzt geändert am 4.6.2008).[2]

In den neu abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (z. B. DBA Australien vom 12.11.2015) sind größtenteils keine LOB-Klauseln enthalten. Nur im Doppelbesteuerungsabkommen mit Japan vom 17.12.2015[3] ist in Artikel 21 eine Limitation-on-Benefits-Regel enthalten. Die LOB-Klausel gehört somit noch nicht zum Standard in der deutsche Doppelbesteuerungsabkommenspraxis und wird auf Verlangen des ausländischen Staates in ein DBA aufgenommen.

Aufgrund der unterschiedlichen Aussagen der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union ist nicht absehbar, ob sich die LOB-Klausel auf europäischer Ebene und so auch in Deutschland durchsetzen wird.

[1] DBAVhGrlDEU, gültig ab 22.8.2013
[2] DBA USA 1989/2008, gültig ab 1.1.2007
[3] DBA Japan, gültig ab 01.01.2017

3.2.2 Muster für Principle-Purpose-Test

Die OECD schlägt folgende Alternative vor:

Artikel 10 Schranken für die Abkommensvergünstigungen

Unbeschadet der übrigen Bestimmungen dieses Abkommens wird eine Vergünstigung im Rahmen dieses Abkommens für einen Ertrags- oder Kapitalposten nicht gewährt, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände das Erlangen dieser Vergünstigung einer der Hauptzwecke einer Regelung oder Transaktion war, die unmittelbar oder mittelbar diese Vergünstigung zur Folge hatte, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Gewährung der Vergünstigung unter diesen Umständen im Einklang mit dem Gegenstand und dem Zweck der einschlägigen Bestimmung dieses Abkommens steht.

Die Regelung hat damit eine gewisse Nähe zu den deutschen Missbrauchsregelungen des § 42 AO und § 50d Abs. 3 EStG.

3.2.3 Überlagerung durch die Entwicklungen in der EU

3.2.3.1 Empfehlung der Europäischen Kommission vom 28.1.2016

Die Kommission sprach am 28. Januar 2016 die Empfehlung aus, eine allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch auf Basis einer "Prüfung des Hauptzwecks" in die Doppelbesteuerungsabkommen untereinander und mit Drittstaaten aufzunehmen. Diese Empfehlung kann vom Rat nicht mehr verändert werden. Sie ist jedoch unverbindlich. Die Empfehlung[1] lautet wie folgt:

Unbeschadet der übrigen Bestimmungen dieses Abkommens wird eine Vergünstigung im Rahmen dieses ...

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