Leitsatz

1. Führt ein Verein u.a. für Langzeitarbeitslose Arbeitsförderungs-, Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen durch, die durch Zahlungen eines Landkreises, eines Bundeslandes bzw. der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden, handelt es sich um umsatzsteuerbare Leistungen des Vereins, wenn dessen Leistungen derart mit den Zahlungen verknüpft sind, dass sie sich auf die Erlangung der Zahlungen richten.

2. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist ohne Bedeutung, ob der (gemeinnützige) Unternehmer damit auch einen seiner Satzungszwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt.

3. Zu dem bei einer Vorsteueraufteilung zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren Tätigkeiten im Rahmen einer Schätzung maßgeblichen "Gesamtumsatz" gehören auch Zuschüsse.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 4 UStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er realisierte Arbeitsförderungs-, Qualifizierungs- und Weiterbildungsprojekte für Frauen, Jugendliche, Schwerbehinderte, Langzeitarbeitslose und andere Teilnehmer, die jeweils durch Zuschüsse des Landkreises X (Landkreis), des Landes Y (Land) und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) finanziert wurden (Leistungen I). Im Rahmen der Projekte beschäftigte der Kläger im Jahr mehrere Hundert Teilnehmer beim Kommunalbau, im Rahmen des Naturschutzes sowie bei Projekten, in denen die Teilnehmer in sozialen Fragen oder hinsichtlich ihrer Eignung für berufliche Tätigkeiten geschult und fortgebildet wurden.

Der Kläger ging davon aus, dass es sich bei diesen Leistungen um nicht unternehmerische Tätigkeiten handele.

Dem folgte das FA, kürzte aber den vom Kläger – im Zusammenhang mit anderen Leistungen des Vereins (Leistungen II) – geltend gemachten Vorsteuerabzug.

Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.4.2013, 2 K 2191/08, Haufe-Index 7303771).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers führte – aus anderen Gründen als geltend gemacht – zur Aufhebung der ­Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Kann anhand der Feststellungen des FG vom BFH nicht nachgeprüft werden, ob das FG zu Recht zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist, liegt ein materieller Fehler vor, der ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt. So war es hier.

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG trugen nicht seine Annahme, der Kläger sei mit den Leistungen I nicht unternehmerisch tätig geworden (dazu LS 1 und 2). Das FG hatte nämlich keine Feststellungen zu dem konkreten Inhalt der Projekte des Klägers, zu den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen mit den Zahlenden (BA, Land und Landkreis), den (vom FG nicht festgestellten) Begünstigten (eventuell z.B. Kommunen, Vereine oder Landwirte) und den Teilnehmern (z.B. Langzeitarbeitslose) sowie zu den Grundlagen für die "Zuschüsse" getroffen.

Auch hatte das FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Zuschüsse der BA, des Landes und des Landkreises möglicherweise Entgelt von dritter Seite i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für Leistungen an die Teilnehmer oder die Begünstigten der Projekte sein könnten. Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Leistungen an Dritte erbringt, gehören – unabhängig von der Bezeichnung als "Zuschuss" –, gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn

  • der Zuschuss dem Leistungsempfänger zugutekommt,
  • der Zuschuss gerade für die Erbringung einer bestimmten Leistung gezahlt wird und
  • mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.

Zu der eigentlichen Streitfrage zum Umfang des Vorsteuerabzugs verwies der BFH auf bereits vorliegende Rechtsprechung. Hierzu äußert sich der Leitsatz 3.

 

Hinweis

Übernimmt ein Unternehmer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und erhält er im Zusammenhang damit Geldzahlungen, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung des Unternehmers i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG derart mit der Zahlung (Zuschuss) verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, in erster Linie auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden, den Bewilligungsbescheid oder die Vereinssatzung abzustellen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.4.2015 – XI R 10/14

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