Leitsatz

Die einvernehmliche Aufhebung eines streitigen vertraglichen Anspruchs kann bei Zahlung einer Entschädigung als entgeltlicher Verzicht des Berechtigten umsatzsteuerbar sein.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Schriftsteller und hatte sich gegenüber einem Verlag zur Abgabe eines Manuskriptes verpflichtet. Neben einem Absatzhonorar war ein nicht rückzahlbarer verrechenbarer Vorschuss vereinbart, der in 3 gleichen Raten fällig war und zwar mit der ersten Rate schon bei Ablieferung des Manuskriptes und mit der letzten Rate bei Erscheinen des Werkes. Nach Übersendung des Manuskriptes an den Verlag wurde seitens des Verlages massiv Kritik an dem Werk geübt, die Publizierbarkeit des Werkes in Frage gestellt und selbst der Erfolg einer etwaigen Überarbeitung angezweifelt. Nachdem beide Seiten Rechtsanwälte eingeschaltet hatten, einigte man sich im Rahmen einer "Vergleichsvereinbarung" über die sofortige Aufhebung des Verlagsvertrags (ohne Publizierung des Werkes). Der Verlag hatte an den Kläger noch eine Zahlung zu leisten, die sich der Höhe nach an dem nach dem ursprünglichen Verlagsvertrag als Mindestvergütung für den Kläger vereinbarten Honorar orientierte. Der Schriftsteller behandelte diese Zahlung als nicht umsatzsteuerbaren Schadensersatz, während das Finanzamt hierin ein Entgelt für den Verzicht des Schriftstellers auf seine Rechte aus dem Verlagsvertrag sah und der Umsatzsteuer unterwarf.

 

Entscheidung

Nach den Umständen dieses Einzelfalls handelt es sich um Entgelt für einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Verzicht des Klägers, auf die zwischen den Vertragsparteien streitige Pflicht des Verlages zur Veröffentlichung seines Werkes zu bestehen. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Verlagsgeschäftsführer offenbar vehement das Interesse des Verlags deutlich gemacht hat, das aus seiner Sicht unter keinen Umständen akzeptable Werk ungeachtet irgendwelcher Nachbesserungen nicht zu veröffentlichen. Zugleich war dem Verlag offenbar bewusst, dass ihn fortbestehende Verpflichtungen aus dem Verlagsvertrag treffen. Nach Ansicht des Gerichts hat sich der Verlag quasi von der Veröffentlichungspflicht "freigekauft". Der Verlag habe die Zahlung daher insbesondere um dieser Gegenleistung willen (= Verzicht des Klägers auf seine Rechte) erbracht. Eine solche Situation entspricht einem entgeltlichen Verzicht des Klägers auf sein streitiges Recht und führt somit zur Umsatzsteuerpflicht der erhaltenen Zahlungen.

 

Hinweis

Nach Ansicht des FG kommt es bei der Unterscheidung zwischen Schadensersatz und Leistungsaustausch darauf an, ob letztlich durch den Aufhebungsvertrag nur deklaratorisch die schon bestehende Unmöglichkeit der Vertragsfortsetzung festgehalten wurde (dann läge nicht steuerbarer Schadensersatz vor) oder ob das möglicherweise noch bestehende Recht auf Vertragserfüllung konstitutiv im Wege eines Vergleichs zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten einvernehmlich aufgehoben wurde (dann läge - wie im Streitfall - steuerbares Leistungsentgelt vor). Da das FG keine Unmöglichkeit der Vertragserfüllung feststellen konnte, gelangte es zur Annahme eines steuerbaren und steuerpflichtigen Verzichtsentgelts. Bei der geschlossenen Aufhebungsvereinbarung handele es sich um die für einen Vergleich regelmäßig typische Situation, dass die Beteiligten sich eben wegen der unterschiedlichen Einschätzung zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten konstitutiv auf eine Vertragsaufhebung "einigen".

In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen nicht steuerbarem Schadensersatz und steuerpflichtigem Leistungsaustausch bei "einvernehmlicher" Vertragsaufhebung gegen Entgelt äußerst schwierig. Die vom FG präferierte Abgrenzung nach "bereits bestehender Unmöglichkeit der Vertragsfortsetzung" bzw. "konstitutiver Aufhebung eines nach bestehendem Rechts auf Vertragserfüllung" ist zumindest in einigen Fällen recht brauchbar. Es wird natürlich entscheidend darauf ankommen, welche Seite der steuerliche Berater zu beurteilen hat. Derjenige Unternehmer, der Geld empfängt, will vermutlich auf Nummer sicher gehen und vorsorglich mit Umsatzsteuer abrechnen, während die zahlende Partei um ihren Vorsteuerabzug fürchtet, wenn sie eine Rechnung/Gutschrift mit Steuerausweis in Händen hält. Zu berücksichtigen ist insbesondere das BFH, Urteil v. 7.7.2005, V R 34/03, wonach die vorzeitige Aufhebung eines Beratungsvertrages zwischen einer Anwaltssozietät und einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis gegen Entgelt als umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Verzichtsleistung gewertet wurde (zur Kritik daran vgl. Totsche/Kempf, MwStR 2013, S. 401). Unabhängig davon ist bei der vorzeitigen einvernehmlichen Aufhebung von Mietverträgen gegen Entgelt zu beachten, dass diese nach wohl gefestigter Rechtsmeinung wie das vorhergehende Mietverhältnis zu beurteilen sind (steuerfrei oder steuerpflichtig, vgl. Abschn. 1.3. Abs. 13 UStAE sowie Abschn. 4.12.1 UStAE).

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 13.02.2013, 5 K 280/10

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