Grundsätzlich wird ein Unternehmer nicht "zufällig" einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung unterworfen. Die Finanzbehörde ordnet eine solche Prüfung an, wenn sie aufgrund bestimmter Merkmale und Informationen aus dem zu prüfenden Unternehmen dazu Anlass sieht. Das Finanzamt unterscheidet hier zwischen sog. Erstprüfungen und Bedarfsprüfungen.

Unter Erstprüfung versteht das Finanzamt die erstmalige Prüfung eines Unternehmens oder die erstmalige Prüfung einer in dem Unternehmen neu aufgenommenen Umsatztätigkeit. Sieht das Finanzamt bei schon laufendem Geschäftsbetrieb eines Unternehmens Anlass zu einer Außenprüfung, spricht es von einer Bedarfsprüfung.

Mit den Erstprüfungen will das Finanzamt Fehler bei sich wiederholenden Geschäftsvorfällen frühzeitig abstellen. Der Zweck der Prüfungen liegt vornehmlich darin festzustellen, ob die tatsächliche Durchführung und Abwicklung von Umsätzen mit Belegen und Aufzeichnungen übereinstimmt. Der Unternehmer sollte verstärkt mit einer solchen Prüfung rechnen, wenn bei seiner unternehmerischen Tätigkeit z. B. ein oder mehrere der folgenden Kriterien auftreten:

  • Vorsteuerabzug[1]

    • außergewöhnlich hohe Vorsteuerbeträge
    • Vorsteuerabzug bei Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze, die trotz Steuerfreiheit zum Vorsteuerabzug berechtigen (z. B. innergemeinschaftliche Lieferungen, Ausfuhrlieferungen)
    • Vorsteuerdifferenzen aufgrund von Verprobungen
    • branchen-/unternehmensatypische oder ungeklärte vorsteuerbelastete Leistungsbezüge
    • Vorsteuerausschluss/Vorsteueraufteilung (z. B. bei teilunternehmerischer Verwendung von Wirtschaftsgütern oder Verwendung von Leistungsbezügen für nicht unternehmerische Zwecke/den nicht unternehmerischen Bereich)
    • Anschaffung bebauter Grundstücke oder Herstellung von Gebäuden und Erklärungen über die Verwendungsabsicht
    • Rechnungen vermeintlicher Scheinfirmen, Zweifel an dem in einer Rechnung ausgewiesenen Leistungsinhalt oder formale Mängel einer Rechnung
    • Erwerb neuer Fahrzeuge (Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich/Fahrzeugeinzelbesteuerung)
  • Vorsteuerberichtigungen[2]

    • Grundstücksveräußerungen und -entnahmen
    • erstmalige Anwendung bzw. Änderung des Verwendungsschlüssels bei gemischt genutzten Grundstücken und beweglichen Wirtschaftsgütern
  • Neugründung von Unternehmen/Firmenmantelkauf[3]

    • erhebliche Vorsteuerüberschüsse im zeitlichen Zusammenhang mit der Neugründung
    • Unternehmereigenschaft, insbesondere bei Personen oder Gesellschaften, die nach Vorbereitungshandlungen keine Umsätze tätigen
    • Verträge des Unternehmers mit Anteilseignern, Gesellschaftern, Mitgliedern oder nahe stehenden Personen (z. B. Gestaltungsmissbrauch bei Vermietung, Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage)
    • Vermietung von Freizeitgegenständen (z. B. Wohnmobile, Segelschiffe)
  • Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze mit/ohne Vorsteuerabzug

    • Umsätze nach § 4 Nr. 1–7 UStG (bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Differenzen nach Abgleich der Umsatzsteuer-Voranmeldung(en)/Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit den gespeicherten Daten der Zusammenfassenden Meldungen)
    • innergemeinschaftliche Erwerbe
    • Umsätze unter Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiungen nach dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, dem Offshore-Steuerabkommen sowie dem Ergänzungsabkommen zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere
    • Berechtigung zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 8 ff. UStG
    • steuerfreie Einfuhren nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG
  • Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs[4]

    • Erwerbe durch Unternehmer, bei denen der Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausgeschlossen ist
    • Erwerbe durch Unternehmer, bei denen erhebliche Differenzen nach Abgleich der Umsatzsteuer-Voranmeldung(en) bzw. Umsatzsteuer-Jahreserklärung mit den aus anderen EU-Mitgliedstaaten gemeldeten Lieferungen bestehen
    • Erwerbe durch Unternehmer i. S. d. § 18 Abs. 4a UStG, die zwar eine USt-IdNr. beantragt, aber keine innergemeinschaftlichen Erwerbe angemeldet haben
  • Berechtigung zur Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes[5] nach § 12 Abs. 2 Nr. 1–13 UStG
  • Versendungsumsätze nach § 3c UStG
  • Leistungsort in besonderen Fällen

    • Personenbeförderungen nach § 3b Abs. 1 UStG
    • Vermittlungsumsätze
    • Lieferungen und Restaurationsleistungen während einer Personenbeförderung nach § 3e UStG
    • elektronisch erbrachte Dienstleistungen (E-Commerce)
  • zeitgerechte Besteuerung der Umsätze[6]

    • Zahlung des Entgelts oder eines Teilentgelts vor Ausführung der Leistung (insbesondere in der Bauwirtschaft und bei Versorgungsunternehmen; Anzahlungen)
    • Abgabe berichtigter Voranmeldungen oder erhebliche Abweichungen bei Umsätzen und Vorsteuern zwischen Steuererklärungen für das Kalenderjahr und Voranmeldungen
  • Insolvenzfälle [7]

    • Zwangsverwaltung von Grundstücken (Zuordnung der Umsätze, Umfang der Option zur Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG)
    • Zuordnung von Umsätzen und Vorsteuern zu den einzelnen Vermögensmassen (Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder insolvenzfreies Vermögen)
    • Verwertung der Insolvenzmasse
    • Erfüllung steuerlicher P...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge