Eine instruktive Darstellung eines USt-Karussells findet sich in einem Bericht des Bundesrechnungshofes. (Abb. 1):

Scheinfirmen traten gegenüber dem FA unterschiedlich in Erscheinung. So waren sie z. B.:

  • steuerlich überhaupt nicht erfasst;
  • steuerlich erfasst, gaben aber keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab;
  • steuerlich erfasst, gaben aber falsche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab (erklärten nur einen Teil der in Rechnung gestellten Umsätze oder erklärten überhöhte Vorsteuern);
  • steuerlich erfasst und erklärten alle in Rechnung gestellten Umsätze, führten aber die angemeldete Zahllast (mangels Masse) nicht ab

Allen Betrugsmodellen war gemeinsam, dass allein die Ermittlung des Lieferwegs und der beteiligten Firmen außerordentlich zeitaufwendig und schwierig war. Insbesondere gelang der Steuerverwaltung häufig nicht der gerichtsfeste Nachweis eines Scheingeschäfts. Um den wohl derzeitig aufwändigsten Betrugskomplex (mit Computer-Bausteinen) aufzudecken, durchsuchte die Ermittlungsbehörde bei der federführenden Steuerfahndung 262 Objekte im Inland und 82 Objekte im Ausland. In Deutschland wurden 955 Beamte der Polizei, 337 Steuerfahnder und 198 Zollfahnder eingesetzt. Der Steuerschaden belief sich auf rund 297 Mio. DM.

Es ist offenkundig, dass die Ermittlungsbehörden einen solchen Aufwand nur in Ausnahmefällen leisten können. Man muss deshalb davon ausgehen, dass die Dunkelziffer und die Zahl der Fälle, die nicht aufgegriffen werden können, entsprechend hoch ist.

Ein weiteres Merkmal der Betrügereien war, dass in aller Regel die ausgezahlte Vorsteuer nicht zurückgezahlt werden konnte, weil die Täter die Zahlung des FA dazu verwendet haben, den Preis der Ware zu senken. Damit verschafften sie sich einen Marktvorteil gegenüber ehrlichen Händlern, die so teilweise aus dem Markt gedrängt wurden. Ein Beispiel dafür ist der Handel mit Mobil-Telefonen: So hatte ein namhafter europäischer Hersteller ein Einschreiten der Steuerverwaltung gefordert, da 80 % seiner Handys in dunkle Kanäle gingen und in Deutschland unter dem Nettoabgabepreis des Herstellers verkauft würden.

Eine andere Gruppe von Tätern behielt die Steuererstattung für sich und erreichte es dabei, große Summen dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. So lebt der den Behörden bekannte Haupttäter eines bedeutenden Falls mit seiner Beute von damals rund 100 Mio. DM heute unbehelligt in der Schweiz. Er ist dort vor dem deutschen Fiskus wie auch der Strafverfolgung sicher, weil die Schweiz ihn wegen eines bloßen Steuerdelikts nicht ausliefert.

Dem Täter kam in Deutschland zugute, dass die Festsetzung und Erhebung der Steuern von den Ländern durchgeführt wird und eine zentrale, bundesweite Informationssammlung – etwa beim Bundeszentralamt für Steuern – fehlt. Damit ist bereits der nationale Informationsaustausch unzureichend.[1]

 
Hinweis

Beratungshinweis

In den letzten Jahren ist jedoch zu konzidieren, dass die Finanzverwaltung bei sich anbahnenden gigantischen USt-Karussellen die internationale Rechts- und Amtshilfe sowohl in der Erstellung flankierender völkerrechtlicher Vereinbarungen als auch i. R. administrativer Maßnahmen erheblich verbessert worden ist. Insbesondere i. R. der Bekämpfung organisierter Kriminalität werden grenzüberschreitende Task Force Gruppen mit unterschiedlicher Nationalität gebildet, um Mega-Fälle des USt-Karussellbetrugs wirksam zu bekämpfen. Dabei ist es nunmehr auch möglich, dass scheinbar sichere Bankgeheimnisse (wie in der Schweiz, Luxemburg) geknackt werden, weil bei Umsatzsteuerhinterziehung gesonderte Rechtsgrundlagen bestehen.

[1] Vgl. Bericht des BRH, BT/Drucks. 14/4226 v. 23.10.2000 S. 216 bis 222. Siehe auch Mattes, UR 2006 S. 689 ff.; Kemper, UR 2006 S. 569 ff.; Billig, UR 2006 S. 437 ff.; Ammann, UR 2005 S. 533 ff.; Nieuwenhuis, UR 2005 S. 177 ff.; Tiedtke, UR 2006 S. 249 ff.; Jochum, UR 2005 S. 88 ff.; Widmann, UR 2005 S. 14 ff.; Kemper, UR 2005 S. 1 ff.; Tiedtke, UR 2004 S. 6 ff.

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