Nach dem neuen § 2b UStG sind (wie von der MwStSystRL vorgegeben) vor allem zwei Kriterien für die Umsatzsteuerbarkeit von Leistungen der öffentlichen Hand maßgebend, welche kumulativ erfüllt sein müssen:

  1. Das Tätigwerden im Rahmen der öffentlichen Gewalt und
  2. das Vorhandsein (bzw. Nichtvorhandensein) möglicher mehr als nur unbedeutender Wettbewerbsverzerrungen.

Da es sich bei dem zweiten Merkmal um eine zwar jeweils zu ermittelnde, aber wohl nicht gestaltbare Tatbestandsvoraussetzung handelt, dürfte sich die Gestaltungsberatung eher auf die erste Voraussetzung des Tätigwerdens im Rahmen der öffentlichen Gewalt konzentrieren.

Um eine Umsatzsteuerbarkeit zu vermeiden, sollte deshalb, falls möglich die Tätigkeit oder die Zusammenarbeit durch eine öffentlich-rechtliche Satzung oder durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden.

Nach einigen Landesgesetzen stellen z. B. Zweckvereinbarungen zur Regelung von Kooperationen zwischen jPdöR einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar.[1]

Aufgrund des sich aus § 27 Abs. 22 UStG ergebenden Wahlrechts zur Anwendung des neuen § 2b UStG wahlweise ab dem 1.1. eines der Jahre von 2017 – 2024 oder erst ab 1.1.2025, müssen die betroffenen jPdöR nun überlegen, welche Folgen die Anwendung des alten oder des neuen Rechts jeweils für die Umsatzsteuerbarkeit ihrer Tätigkeiten und somit auch für den Vorsteuerabzug haben.

Die öffentliche Hand sollte nun versuchen, ihre Tätigkeiten daraufhin systematisch einzuordnen und sowohl nach altem als auch nach neuem Recht umsatzsteuerlich zu würdigen.

Hierzu kann die nachfolgende Übersicht dienen.

 
Hinweis

Zeitgewinn durch Option

In der Praxis haben wohl die meisten jPdöR von der Option Gebrauch gemacht, die alte Rechtslage weiterhin anzuwenden. Dies geschah vielfach auch, um Zeit zu gewinnen, sich mit der neuen Rechtslage vertraut zu machen und die Vor- und Nachteile abzuwägen. Durch die Möglichkeit des rückwirkenden Widerrufs können die betroffenen Körperschaften diese Entscheidung nun sogar revidieren, wenn sie sich als unvorteilhaft erweist.

 
Fall Bisherige Rechtslage
§ 2 Abs. 3 UStG
bis 31.12.2016
wahlweise bis 31.12.2024[2]
Neue Rechtslage
§ 2b UStG
ab 1.1.2017
spätestens ab 1.1.2025[3]

Hoheitliche Leistung

bzw.

Tätigkeiten, die der jPdöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen

  • Ausstellung Personalausweis
  • Kfz-Zulassung
  • Parkgebühren (öffentlich)
  • Müllgebühren (privat)
  • Schule, Universität
  • Bauhof
  • Polizei, Feuerwehr,…

Nicht steuerbar

§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG

§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG

Außer:

Notare, Abgabe von Brillen, Vermessung, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG

Nicht steuerbar

§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG

Außer:

Größere Wettbewerbsverzerrungen
§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG

Notare, Abgabe von Brillen, Vermessung, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

+ Tätigkeiten lt. Anhang I MwStSystRL (Telekommunikation, Wasser, Gas, Beförderung,…)
§ 2b Abs. 4 UStG

Beistandsleistung

  • Interkommunale Zusammenarbeit/Zusammenarbeit zwischen 2 jPdöR
  • Personalgestellung
  • Gemeinsame Nutzung Bauhof/Forschungseinrichtung/Immobilie/Rechenzentrum/…

Nicht steuerbar

Vgl. z. B. OFD Niedersachsen, Verfügung vom 27.7.2012[4]

Voraussetzung:

Von Hoheitsbetrieb an Hoheitsbetrieb – nicht von BgA oder an BgA

Nicht steuerbar, soweit im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Insbesondere unter den Voraussetzungen § 2b Abs. 3 UStG

Außer:

Größere Wettbewerbsverzerrungen
§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG

Vermögensverwaltung

z. B. Vermietung Immobilien

Nicht steuerbar

Vgl. z. B. OFD Niedersachsen, Verfügung vom 27.7.2012[5]

Steuerbar

Außer:

Umsätze aus Vermietung
≤ 17.500 EUR pro Jahr
§ 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG

Falls steuerbar:
steuerfrei § 4 Nr. 12 UStG?

Steuerfreie Leistungen

z. B. Bildungsleistungen, Heilbehandlungen

Steuerbar, aber steuerfrei

Wenn im Rahmen eines BgA ausgeführt
§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG

Nicht steuerbar, soweit im Rahmen der öffentlichen Gewalt

Wenn keine Option möglich
§ 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG

Weitere Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage

  • Parkhaus/Tiefgarage
  • Kurtaxe[6]
  • Leistungen staatlicher Stellen für private Auftraggeber
  • Schwimmbadbetrieb[7]
    (Schulschwimmen)
  • Eigenjagdverpachtung
  • Müllverwertung (DSD, Altmetall, Elektroschrott,…)
    + Gewerbemüll ohne Benutzungszwang

Steuerbar

Wenn im Rahmen eines BgA ausgeführt
§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG

Ohne BgA nicht steuerbar,
es sei denn die Behandlung als nichtsteuerbar würde zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen
Abschn. 2.11 Abs. 2 Satz 4 UStAE

Steuerbar

§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG
(Umkehrschluss)
 
Praxis-Beispiel

Zusammenfassendes Beispiel zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

Der Bauhof der Stadt A erbringt folgende Leistungen:

  1. Pflege der Grünanlagen der Stadt
  2. Vermietung einer nicht benötigten Halle an einen Bauunternehmer
  3. Gestattung der Mitbenutzung des Bauhofs durch die benachbarte Stadt B
  4. Winterdienst für Betriebe auf deren Privatgelände gegen Gebühr

Lösung nach alter und neuer Rechtslage:

  1. Hoheitlicher Bereich – nicht steuerbar
  2. Bisher: nicht steuerbare Vermögensverwaltung
    Neu: Nur in den Grenzen des § 2b Ab...

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