Im Umsatzsteuerrecht ist es zur korrekten Rechtsanwendung im nationalen Bereich immer häufiger notwendig, die entsprechende Regelung der MwStSystRL zu prüfen. Auch dort ist, in Art. 13 MwStSystRL, eine Ausnahmeregelung für Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorgesehen. Diese unterscheidet sich von der Umsetzung im deutschen UStG vor allem in 2 Punkten:

1) Art. 13 i. V. m. Art. 9 MwStSystRL geht vom Begriff des Steuerpflichtigen aus, während sich der Begriff des BgA samt Bezug auf das KStG nur in § 2 Abs. 3 des UStG wiederfindet.
2) Art. 13 MwStSystRL enthält vor allem in Unterabsatz 2 eine Ausnahme von der Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige, nämlich für den Fall, dass diese Behandlung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Eine solche Einschränkung des Besteuerungsprivilegs der jPdöR findet sich in § 2 Abs. 3 des deutschen UStG nicht. Das Wettbewerbskriterium kommt nach nationaler Auffassung bisher nur bei Unterschreiten der Umsatzgrenze von 35.000 EUR zum Tragen.[1]

Aufgrund dieser Diskrepanz stellte sich die Frage, ob die bisherige nationale Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG richtlinienkonform ist.

Der EuGH hatte bereits vor mehr als 25 Jahren u. a. entschieden, dass aufgrund der Vorschrift des Art. 13 MwStSystRL[2]"die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn diese Tätigkeiten – im Wettbewerb mit ihnen – auch von Privaten ausgeübt werden können und ihre Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann."[3] Lediglich in der Umsetzung dieser Vorschrift hat der EuGH den Mitgliedstaaten insofern Spielraum gelassen, als dass diese nicht verpflichtet sind "dieses Kriterium wörtlich in ihr nationales Recht zu übernehmen oder quantitative Grenzen für die Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige festzulegen."[4]

Angesichts dieser – in den späteren Jahren vielfach bestätigten – EuGH-Rechtsprechung hatte der BFH dann wohl gar keine andere Möglichkeit, als in einer ganzen Reihe von Urteilen[5] den nationalen § 2 Abs. 3 UStG unionsrechtskonform auszulegen.

Spätestens mit seinem Urteil vom 10.11.2011[6] zur Umsatzsteuerpflicht der Nutzung einer Sport- und Freizeithalle einer Gemeinde für unterschiedliche Zwecke hat der BFH klargestellt, dass sich nach seiner Auffassung unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG eine von der Verwaltungsauffassung abweichende Beurteilung ergibt. Zum einen ist nach Auffassung des BFH die Vermietung der Halle keine nicht steuerbare Vermögensverwaltung, sondern umsatzsteuerbar, wenn die Vermietung "auf zivilrechtlicher Grundlage oder – im Wettbewerb zu Privaten – auf öffentlich-rechtlicher Grundlage"[7] erfolgt. Zum anderen ist laut BFH auch die entgeltliche Nutzungsüberlassung der Halle an eine andere Gemeinde als sog. Beistandsleistung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts "steuerbar und bei Fehlen besonderer Befreiungstatbestände steuerpflichtig".[8]

Diese BFH-Rechtsprechung hat "eine tiefgreifende Umkehr der Sichtweise zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand"[9] zur Folge. Der Begriff des BgA ist hiernach kein Entscheidungskriterium mehr für die Frage der Unternehmereigenschaft. Vielmehr ist eine jPdöR umsatzsteuerlicher Unternehmer, wenn sie nachhaltig entgeltliche Leistungen erbringt ("wirtschaftliche Tätigkeit"[10]) und dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag handelt. Auf weitere Voraussetzungen kommt es dann nicht mehr an. Sofern die jPdöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, ist das Wettbewerbskriterium gem. Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 2 MwStSystRL zu beachten: Falls die Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, ist die Unternehmereigenschaft trotz Tätigwerdens auf öffentlich-rechtlicher Grundlage gegeben. Dies gilt auch für den Bereich der Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden neuen Voraussetzungen für die Steuerbarkeit von Leistungen der öffentlichen Hand lassen sich wie folgt darstellen:

Von Seiten der Finanzverwaltung wurde angesichts dieser gravierenden Auswirkungen für die öffentliche Hand beschlossen, die BFH-Urteile zunächst nicht amtlich zu veröffentlichen, also nicht allgemein anzuwenden. Eine Arbeitsgruppe sollte Notwendigkeiten und Möglichkeiten prüfen, die Umsatzbesteuerung von Leistungen der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung der Rechtsprechung an die Vorgaben des Unionsrechts anzupassen.[11]

Allerdings war der Gesetzgeber somit zur Handlung gezwungen, zumal den betroffenen jPdöR ein Wahlrecht zugestanden wurde, wonach sie sich auf die BFH-Urteile bereits vor deren Veröffentlichung berufen konnten. Das Wahlrecht konnte die jPdöR jedoch nur einheitlich für ihr gesamtes Unternehmen ausüben und nicht auf bestimmte Unte...

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