Rz. 4

Zur Abgrenzung zwischen Umlauf- und Anlagevermögen ist auf die vorstehende Definition des § 247 Abs. 2 HGB abzustellen. Maßgebendes Abgrenzungskriterium ist die Zweckbestimmung eines Vermögensgegenstands, die sich zum einen aus der Art und Verwendung eines Gegenstands und zum anderen aus dem Willen des Bilanzierenden ableiten lässt.

Zunächst spricht die Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zu einer der im Bilanzgliederungsschema des § 266 Abs. 2 HGB aufgeführten Vermögenskategorien für seine Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen.[1] Kann danach keine eindeutige Zuordnung getroffen werden, entscheidet die betriebliche Funktion des Gegenstands über seine Zugehörigkeit zum Anlage- oder Umlaufvermögen. In Anlehnung an die steuerliche Rechtsprechung[2] kann zwischen Gebrauchsgütern und Verbrauchsgütern unterschieden werden. Erstere rechnen zum Anlagevermögen, Zweitere dagegen zum Umlaufvermögen. Gebrauchsgüter sind Nutzungs- und Abnutzungsgüter, deren Existenz die Aufrechterhaltung der Produktionsbereitschaft sichert. Im Gegensatz dazu stehen Verbrauchsgüter lediglich einmal für einen Nutzungsvorgang zur Verfügung. Diese zunächst recht eindeutig erscheinende Abgrenzung kann im konkreten Fall dann doch schwierig sein, etwa bei Formen, Werkzeugen, Modellen und anderen Vorrichtungen, die bei der Durchführung eines Kundenauftrags innerhalb kurzer Zeit technisch oder wirtschaftlich verbraucht werden.[3] Die betriebliche Funktion eines Gegenstands ergibt sich einerseits aus seiner tatsächlichen Verwendung im Betrieb, andererseits aus dem Unternehmenszweck. Sowohl Verwendung als auch Unternehmenszweck werden letztlich vom Willen des Bilanzierenden bestimmt. Insoweit handelt es sich um objektive Kriterien, die von einer subjektiven Entscheidung abhängig sind.[4]

Deutlich wird die Bedeutung dieser Kriterien anhand des folgenden Beispiels:

 
Praxis-Beispiel

Zuordnung bebauter Grundstücke

Bebaute Grundstücke zählen nach § 266 Abs. 2 HGB grundsätzlich zum Sachanlagevermögen. Ist Unternehmenszweck jedoch die Errichtung und Veräußerung von Immobilien, rechnen Grund, Boden und Gebäude, die zur Veräußerung bestimmt sind, zum Umlaufvermögen. Sowohl der Unternehmenszweck als auch die Veräußerungsabsicht beruhen auf einer Entscheidung des Bilanzierenden, der sich andererseits aber auch dazu entschließen kann, ein selbst erstelltes Gebäude – etwa als Bürogebäude – betrieblich zu nutzen und dem Anlagevermögen zuzuordnen.

 

Rz. 5

Auch wenn in der Definition des Anlagevermögens darauf abgestellt wird, dass ein Gegenstand dem Betrieb "dauernd" dient, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine nur kurzfristige Verwendung automatisch eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nach sich zieht. Das Kriterium "dauernd" enthält keinen konkreten Zeitbegriff, etwa dergestalt, dass Vermögensgegenstände mit einer (Rest-)Nutzungsdauer von weniger als einem Jahr zum Umlaufvermögen zählen. Kurzlebige oder gebraucht erworbene Vermögensgegenstände mit einer derart kurzen Nutzungsdauer können durchaus zum Anlagevermögen gehören. Gleiches gilt für Vermögensgegenstände, die in relativ kurzer Zeit nach ihrer Anschaffung wieder veräußert werden sollen, entscheidend ist jeweils die konkrete betriebliche Nutzung im Zeitpunkt der Bilanzierung. Werden Vermögensgegenstände dagegen über einen längeren Zeitraum im Umlaufvermögen bilanziert, kann dies dafür sprechen, dass sie eigentlich dem Anlagevermögen zuzurechnen sind, wobei der zeitliche Faktor nur als Hilfskategorie für die Abgrenzung in Betracht kommt.[5]

 

Rz. 6

In einer Reihe von Urteilen haben BFH und Finanzgerichte zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Anlage- bzw. Umlaufvermögen in Abhängigkeit von der jeweiligen betrieblichen Funktion Stellung genommen:

  • Grund, Boden und Gebäude sind bei einem Unternehmen, das einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, regelmäßig ab dem Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Gebäudeerrichtung zum Verkauf bestimmt und deshalb dem Umlaufvermögen zuzurechnen.[6] Das gilt auch dann, wenn in diesem Zeitpunkt lediglich eine bedingte Verkaufsabsicht vorlag.[7]
  • Ein Grundstück, das im Wege der Zwangsvollstreckung erworben wurde, um eine hypothekarisch gesicherte betriebliche Forderung zu retten, gehört zum Umlaufvermögen, wenn es wieder verkauft werden soll.[8]
  • Vorführwagen eines Kfz-Händlers werden zwar in Verkaufsabsicht angeschafft, rechnen aber so lange zum Anlagevermögen, wie sie der Verkaufswerbung dienen. Ausstellungsfahrzeuge zählen dagegen zum Umlaufvermögen.[9]
  • Auch Musterhäuser eines Fertighausherstellers sind als Anlagevermögen zu bilanzieren, solange sie Werbezwecken dienen.[10]
  • Weniger eindeutig ist dagegen die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu Handelsunternehmen. Während das FG München[11] zu Werbezwecken verwendete, fest installierte Musterküchen und Musterelektrogeräte eines Groß- und Einzelhändlers dem Anlagevermögen zugerechnet hat, hat das FG Berlin[12] Ausstellungsmöbel eines Möbeleinzelhändlers, die über mehrere Jahre präsentiert wurden, als Umlaufvermög...

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