Leitsatz

1. Die bei einer Auslandsreise beabsichtigte Anbahnung von Kontakten zu Politikern und Unternehmern in den besuchten Ländern geht i.S. einer betrieblichen Veranlassung der Reise zumindest dann über ein bloß allgemeines Interesse an politischen oder wirtschaftspolitischen oder gesellschaftspolitischen Informationen hinaus, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Teilnehmer die erwarteten Informationen und Kontakte für seine unternehmerischen Ziele nutzen kann.

2. Bei Delegationsreisen mit hochgestellten Politikern kann aufgrund der Vorauswahl der Teilnehmer durch das zuständige Ministerium im Regelfall davon ausgegangen werden, dass es sich um Repräsentanten von Unternehmen handelt, die international ausgerichtet sind oder dies anstreben.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Vorstandsmitglied einer Kapitalgesellschaft. Er begleitete als Mitglied der Wirtschaftsdelegation den Ministerpräsidenten eines Bundeslands über mehrere Jahre auf dessen Auslandsreisen nach Argentinien, Brasilien, Chile, China, Indien, und nach Südafrika. Ferner nahm der Kläger als Vertreter der Wirtschaft an einer Reise des Wirtschaftsministers nach Singapur, Indonesien und Malaysia teil. Das Programm und der Teilnehmerkreis dieser Reisen wurden jeweils durch das Staatsministerium oder das Wirtschaftsministerium festgelegt. Der Kläger besuchte außerdem gemeinsam mit seiner Ehefrau, die als Prokuristin und später als Vorstandsmitglied ebenfalls für die Kapitalgesellschaft tätig war, die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die Kosten für sämtliche Reisen trug die Kapitalgesellschaft.

Das FA erkannte die betriebliche Veranlassung der Reisen an, beurteilte die Übernahme der Reisekosten aber als Arbeitslohn der Kläger.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, die übernommenen Reisekosten seien vGA, weil sich eine betriebsfunktionale Zielsetzung der Reisen nicht feststellen lasse (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2006, 12 K 78/06, Haufe-Index 1677559, EFG 2007, 698).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe eine "betriebsfunktionale Zielsetzung" der Aufwendungen für die Auslandsreisen verneint, ohne die bei jeder einzelnen Reise für und gegen die betriebliche Veranlassung sprechenden Umstände in nachvollziehbarer Weise gegeneinander abzuwägen. Teilweise seien die Behauptungen des FG auch nicht mit Tatsachen unterlegt. Die lückenhafte Tatsachenwürdigung bedeute einen Rechtsfehler, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führe.

Im zweiten Rechtsgang müsse das FG die von der Rechtsprechung herausgestellten Merkmale, soweit sie für oder gegen die betriebliche Veranlassung der jeweiligen Reise sprechen, für jede Reise einzeln beachten und nachvollziehbar gegeneinander abwägen.

 

Hinweis

1. Nach dem Beschluss des Großen Senats vom 21.09.2009, GrS 1/06 (BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85) zur Aufteilung von Kosten einer Auslandsreise kommt die Rechtsprechung zu diesem bisher von dem sogenannten Aufteilungsverbot des § 12 EStG geprägten Sachbereich in Bewegung.

2. Übernimmt eine Kapitalgesellschaft Reisekosten für ihren Gesellschafter, obwohl es an einer betrieblichen Veranlassung für die Reise fehlt, kann in der Kostenübernahme eine vGA liegen. Diese Frage beurteilt sich grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben wie die Abgrenzung zwischen beruflich veranlassten und privat veranlassten Reisen im Bereich der ESt.

3. In diesem Fall ging es um die Besonderheit, dass ein Unternehmen die Kosten für Reisen seines Vorstandsmitglieds (und zum Teil auch von dessen Ehefrau) übernommen hatte. Es handelte sich um Reisen als Mitglied einer Wirtschaftsdelegation des Ministerpräsidenten oder des Wirtschaftsministers eines Bundeslands sowie um den Besuch des Weltwirtschaftsforums in Davos.

a) Kennzeichen solcher Reisen von Regierungsdelegationen ist es, dass ihr Ablauf von den zuständigen Ministerien insgesamt durchgeplant wird. Dann bleibt für die Teilnehmer keine Möglichkeit einer alternativen Reisegestaltung und grundsätzlich auch keine Möglichkeit, sich von dem Programm zu lösen, auch wenn es touristische Punkte enthält. Da der Ablauf der Reise von den einzelnen Reiseteilnehmern nicht zu beeinflussen ist, wird i.d.R. auch keine Aufteilung etwa nach Zeitanteilen in Betracht kommen.

b) Die Veranlassung derartiger Reisen wird daher i.d.R. nur insgesamt als privat oder als beruflich zu beurteilen sein. Dabei kann die Bedeutung der Reise für die betriebliche Tätigkeit mitreisender Unternehmer sehr unterschiedlich sein. Sie muss jeweils im Einzelnen ermittelt werden. Es ist jedenfalls zu eng, in derartigen Fällen etwa nach konkreten, durch die Reise akquirierten Aufträgen oder neu gewonnenen Geschäftskontakten zu fragen.

c) Wenn solche konkreten Angaben gemacht werden können, liegt die betriebliche Veranlassung der Reise unmittelbar auf der Hand. Aber auch wenn solche konkreten Ergebnisse der Reise nicht vorgewiesen werden können, schließt dies ein...

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