Die tatsächliche Verständigung ist auch im Steuerstrafrecht möglich.[1] Eine gescheiterte Verständigung im Strafverfahren kann von vornherein weder Bindungswirkung noch Vertrauensschutz begründen.[2] Der Vorsitzende teilt in der Hauptverhandlung allen Beteiligten gem. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StGB stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.[3] Ist während einer Außenprüfung parallel ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig, ist auf Folgendes zu achten:

  • Die tatsächliche Verständigung wird innerhalb des Besteuerungsverfahrens herbeigeführt.[4]

    Der BFH hat entschieden, dass eine tatsächliche Verständigung (hier: über den Umfang nicht verbuchter Erlöse aus dem Verkauf des Wertstoffs Monolith), die vom Sachgebietsleiter der Steuerfahndung ohne Beisein eines für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Amtsträgers abgeschlossen wurde, keine Bindungswirkung entfalten kann, auch wenn zwischen Steuerfahndung und "veranlagender Betriebsprüfung" konkludent eine "arbeitsteilige" Vorgehensweise vereinbart worden sein soll.[5]

    Es gibt keine Einigung über die Rechtsfolgen (Strafen, Bußgelder und deren Höhe) einer etwaigen Steuerhinterziehung bzw. -verkürzung.

  • Eine Einigung im Besteuerungsverfahren ist nicht automatisch auf das Steuerstrafverfahren übertragbar.[6]
 
Praxis-Tipp

Steuerberater und Anwalt beauftragen

Es ist sinnvoll, dass neben dem Steuerberater auch noch ein spezialisierter Rechtsanwalt (Fachanwalt für Strafrecht) hinzugezogen wird.

Besteht der Verdacht einer Steuerhinterziehung/-verkürzung unter Umständen zu Recht, ist auf Folgendes zu achten:

  • Wichtig ist, dass ggf. der Sachgebietsleiter der Steuerfahndung und der Sachgebietsleiter der Bußgeld- und Strafsachenstelle[7] dem Ermittlungsergebnis in Anwesenheit der Kollegen der Betriebsprüfung und der Veranlagung zustimmen.
  • Erzielen Steuerpflichtige keine Zustimmung mit der Steuerfahndung und Bußgeld- und Strafsachenstelle sollten sie ihr Einverständnis zur tatsächlichen Verständigung nur unter dem Vorbehalt der entsprechenden strafrechtlichen Würdigung erteilen. Die Steuerveranlagung muss auf jeden Fall durch einen Einspruch offengehalten werden.
  • Die tatsächliche Verständigung ist kein Geständnis im Sinne der Strafprozessordnung. Dennoch sollten Steuerpflichtige darauf achten, dass bei der schriftlichen Formulierung keine Hinweise auf ein Geständnis hindeuten.

Werden Steuerpflichtige zu Unrecht verdächtigt, ist Folgendes zu beachten:

  • Steuerpflichtige dürfen keine (Zu-)Geständnisse machen, sondern müssen ihre Rechte nach der Abgabenordnung wahren.
  • Eine tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren bindet den Strafrichter nicht. Es gilt zugunsten des Steuerpflichtigen der Grundsatz: "Im Zweifel für den Angeklagten." Das Strafgericht muss die Schuld beweisen.
 
Achtung

Unwahre Aussagen bei tatsächlicher Verständigung können Steuerhinterziehung sein

Wenn der Steuerpflichtige bewusst eine unrichtige oder unvollständige tatsächliche Verständigung herbeiführt, kann damit der Tatbestand der Steuerhinterziehung i. S. v. § 371 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sein.

Enthalten die Grundannahmen oder das Rechenwerk einer tatsächlichen Verständigung derartige Fehler, die die Annahme eines offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses rechtfertigen, ist die tatsächliche Verständigung (nach einer Durchsuchung im Rahmen einer Fahndungsprüfung) insgesamt mangels Bindungswirkung unwirksam. Eine Umdeutung der Vereinbarung in eine bindende Vereinbarung mit anderem Inhalt ist nicht zulässig.[8]

Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung kann weder schriftlich noch mündlich der Verzicht des Finanzamtes auf Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein.[9]

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