Die Höhe der latenten Steueransprüche oder Steuerschulden ergibt sich aus der Multiplikation der Bewertungsunterschiede mit dem Steuersatz. Da latente Steuern zukunftsgerichtet sind, wäre es folgerichtig, die erwarteten zukünftigen Steuersätze zu verwenden. Im Interesse der Zuverlässigkeit (reliability) sieht IAS 12.47 jedoch nur die Anwendung der zum Bilanzstichtag gültigen oder mit Rechtswirkung bereits angekündigten Steuersätze vor. Eine Abzinsung ist auch bei langfristigen Latenzen (z. B. aus Grund und Boden) gemäß IAS 12.53 nicht vorzunehmen.

Latente Steuern sind nach IAS 12 auf temporäre Differenzen zu bilden. Da jede timing difference (Periodisierungsunterschiede) auch temporary difference ist, aber nicht jede temporary difference auf timing zurückzuführen ist (z. B. Neubewertungsfälle), kommt es auf die Entstehungsursache der temporären Differenzen nicht an. Für die Ermittlung der Bilanzposten kann die GuV insofern ignoriert werden. Arbeitstechnisch ist deshalb wie folgt vorzugehen:

 
Differenzen zwischen IFRS-Bilanz und Steuerbilanz per 31.12.
× Steuersatz
= Steuerlatenz 31.12.
Steuerlatenz 1.1.
=

Steuerlatenz der Periode

(aufzuteilen in GuV-wirksamen und erfolgsneutralen Teil)

Für die Berechnung und Aufbereitung der latenten Steuern bietet sich (unter Einbeziehung von Steuersatzänderungen) folgendes Schema an. Es ist streng bilanzorientiert.

 
  00 01
  IFRS StB Pos.
Diff.
Neg. Diff. IFRS StB Pos.
Diff.
Neg.
Diff.
goodwill (soweit Diff. wegen steuerl. Abschr.)                
Sonstiges immaterielles AV                
Grund und Boden                
Gebäude                
Maschinen                
Sonstige Sachanlagen                
Wertpapiere                
Sonstiges Finanzvermögen                
Teilgewinn langfristige Auftragsfertigung                
Pensionsrückstellung                
Drohverlustrückstellung                
Sonstige Rückstellungen                
Saldo     b1 … b2 …     a1 … a2 …
X Steuersatz     X % X %     Y % Y %
= Passive/aktive latente Steuern (ohne Verlustvortrag)        
– Vorjahr            
= Veränderung            
– Davon erfolgsneutral            
= Ertrag/Aufwand             c1 … c2 …
Aufschlüsselung Veränderung  
Wegen Umkehrung Diff. + X % von (a – b)  
Wegen Steuersatz (Y % – X %) von a  
= Veränderung Steuerlatenz (wie oben) c …

Tab. 1: Steuerlatenzen

 

Beispiel

Der Ertragsteuersatz der Tax Base GmbH beträgt in 01 60 %. Zum Jahresende 01 ist es wahrscheinlich, dass er mit Wirkung ab 03 auf 40 % sinkt. Im Verlauf des Jahres 02 wird ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Unter Berücksichtigung der nachfolgenden Differenzen zwischen Steuer- und IFRS-Bilanz und der Steuersatzänderungen ergeben sich die latenten Steuern zu den Stichtagen 01 und 02 wie folgt (aktive und passive Latenz vereinfacht saldiert):

 
  01 02
  IFRS StB Diff. IFRS StB Diff.
Grund und Boden 20,0 10,0 10,0 20,0 10,0 10,0
Maschinen 0,5 0,7 –0,2 0,4 0,5 –0,1
Teilgewinn
langfristige Auftragsfertigung
4,2 0 4,2 2,1 0 2,1
Drohverlustrückstellung –4,0 0 –4,0 –3,0 0 –3,0
Saldo 20,7 10,7 10,0 19,5 10,5 9,0
× Steuersatz %     60     40
= Passive latente Steuern     6,0     3,6
Vorjahr           6,0
Veränderung           –2,4
Davon            
wegen Umkehrung Diff. +60 % von (9,0 -10,0) –0,6
wegen Steuersatz –20 % von 9,0 –1,8
Latenter Steuerertrag         –2,4

Der latente Steueraufwand oder Steuerertrag ergibt sich aus der Veränderung der aktiven und latenten Bilanzposten. Für Zwecke des Anhangs ist er wie im Beispiel nach Entstehung oder Umkehrung von Differenzen zur Steuerbilanz einerseits und nach Steuersatzänderungen andererseits aufzugliedern.

123 Staaten, darunter die Bundesrepublik, sind in 2021 übereingekommen, ein Mindestbesteuerungssystem für multinational tätige Konzerne einzurichten (sog. Pillar Two Model). U.a. ist danach eine Zusatzsteuer (top-up tax) zu zahlen, sofern die Anwendung des üblichen Steuersatzes in einem Staat zu einer Besteuerung von weniger als 15 % führt. Im Zusammenhang dieser Übereinkunft war Unsicherheit aufgekommen, wie sich insbesondere die top-up taxes auf die Bewertung latenter Steuern auswirken, aber auch welche neuartigen temporären Differenzen (Bilanzansatz) sich ergeben könnten. Der IASB hat hierauf im Mai 2023 mit einer temporären Ausnahmeregelung reagiert (IAS 12.4A). Bis zum Widerruf dieser Regel sind die OECD-Mindestbesteuerungsregeln – in Deutschland umgesetzt durch das Mindestbesteuerungsgesetz – weder bei Ansatz und Bewertung noch bei den Anhangsangaben zu latenten Steuern zu berücksichtigen.

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