Leitsatz

1. Die Zahlung eines zu verrechnenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung ist eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität und für die Zusammenballung der außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG unschädlich.

2. Bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren fehlt der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 11 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 96 Abs. 1 Satz 2, § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO, § 278 Abs. 6, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger erlitt 1993 einen Fahrradunfall und ist seitdem schwerbehindert (GdB 80). Im Jahr 2006 erhielt er von der Versicherung des Schädigers Zahlungen über 15.000 EUR und 10.000 EUR. Im Streitjahr 2012 einigte sich der Kläger mit der Versicherung über seinen Erwerbs- und Fortkommensschaden seit dem 1.9.2008. Die Versicherung leistete am 1.2.2012 eine Abschlagszahlung von 10.000 EUR und am 6.11.2012 eine restliche Zahlung für den Zeitraum vom 1.9.2008 bis zum 30.9.2012. Die Abschlagszahlung wurde angerechnet. Daneben vereinnahmte der Kläger eine Zahlung für den laufenden Verdienstausfall.

Das FA behandelte alle 2012 gezahlten Beträge als laufende Einkünfte. Das FG (FG Münster, Urteil vom 28.11.2016, 8 K 2945/14 E, Haufe-Index 10865131, EFG 2017, 917) verneinte i.H.d. Abschlagszahlung von 10.000 EUR eine Zusammenballung.

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage insgesamt stattgegeben.

 

Hinweis

Der Fall wirft zwei Fragen auf, die der BFH ganz i.S.d. Steuerpflichtigen beantwortet hat:

1. Liegt eine "Zusammenballung von Einkünften" als Voraussetzung für die Gewährung der Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG nicht vor, wenn auf eine einheitliche Entschädigung für entgangene Einnahmen im selben VZ bereits ein Abschlag gezahlt worden ist?

Der BFH verneint die Frage. Bei der Abschlagszahlung handelt es sich (dann) nur um eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität. Sie ist für die Annahme einer Zusammenballung unschädlich. Das zeitliche Auseinanderfallen der Zahlungen innerhalb eines VZ beseitigt die Progressionswirkung nicht.

Anders kann dies sein, wenn die Abschlagszahlung in einen anderen VZ fällt. Dazu hat sich der BFH im Besprechungsfall allerdings nicht geäußert.

2. Liegt eine einheitliche Entschädigung noch vor, wenn in einem jahrelangen Rechtsstreit um die Rechtsfolgen aus einem Verkehrsunfall vor 6 Jahren bereits einmal Abschlagszahlungen erbracht worden sind, die in den abschließenden Vergleich nicht eingerechnet worden sind?

Der BFH hat auch diese Frage verneint. Die Jahre zurückliegenden Zahlungen waren nicht Gegenstand des Vergleichs. Außerdem fehle der erforderliche zeitliche Zusammenhang. Positiv gewendet: Eine einheitliche Entschädigung ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil mit den Zahlungen die Folgen aus ein und demselben Schadensereignis abgegolten werden sollen. Erforderlich ist (daneben) die Einbeziehung in die neue Rechtsgrundlage (Vergleich) sowie ein zeitlicher Zusammenhang der jedenfalls dann fehlt, wenn zwischen den Teilzahlungen ein Zeitraum von 6 Jahren liegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.10.2017 – IX R 11/17

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