Bei den sachlichen Stundungsgründen liegt die erhebliche Härte in den objektiven Umständen, unabhängig von der persönlichen wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn zu erwarten ist, dass die zu zahlende Steuer demnächst wieder zu erstatten sein wird, z. B. wenn ein Antrag auf Herabsetzung einer Steuer Erfolg haben wird, oder dass der Steuerpflichtige mit einer alsbaldigen Erstattung oder Vergütung anderer Steuern rechnen kann (sog. Verrechnungsstundung[1]).

 
Wichtig

Konkreter Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen ist Voraussetzung

Voraussetzung für einen Stundungsanspruch in solchen Fällen ist, dass nicht nur eine ungewisse oder unbestimmte Aussicht auf Erstattung besteht, sondern dass der Gegenanspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und in absehbarer Zeit fällig wird. Dementsprechend kann z. B. die Stundung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht verlangt werden, wenn zur Begründung des Stundungsantrags lediglich vorgebracht wird, dem Steuerpflichtigen stehe ein vom Finanzamt bisher nicht anerkannter Einkommensteuer-Erstattungsanspruch aus einer Einkommensteuer-Veranlagung zu.[2]

Eine Stundung von Steuerabzugsbeträgen – auch im Zuge der Verrechnungsstundung – ist nach § 222 Satz 3 AO ausgeschlossen. Insbesondere die vom Arbeitgeber einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer kann also nicht gestundet werden, auch wenn sie alsbald wieder zu erstatten ist. Dabei wendet sich die Vorschrift des § 222 Satz 3 AO allein an den Steuerschuldner, also an den Arbeitnehmer. Dieser kann nicht durch einen Antrag auf (Verrechnungs-)Stundung der Lohnsteuer deren Abführung durch den Arbeitgeber zum Fälligkeitstag verhindern.

 
Praxis-Beispiel

Keine Stundung von Steuerabzugsbeträgen gegenüber Arbeitnehmern

Ein Arbeitnehmer beantragt bei dem für seine Einkommensteuerveranlagung zuständigen Finanzamt Stundung der vom Arbeitgeber einbehaltenen und abzuführenden Lohnsteuer mit dem Ziel der Erstattung der Lohnsteuer an ihn. Eine Stundung ist ausgeschlossen.

Umstritten ist, ob der Arbeitgeber und der Schuldner der Kapitalerträge als Entrichtungsverpflichtete eine (Verrechnungs-)Stundung erhalten können, oder ob dies nach § 222 Satz 4 AO ausgeschlossen ist.

 
Praxis-Beispiel

Keine Stundung von Steuerabzugsbeträgen gegenüber dem Arbeitgeber

Ein Arbeitgeber beantragt beim Betriebsstätten-Finanzamt Stundung der von ihm für seine Arbeitnehmer einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuer. Nach überwiegender Auffassung[3] soll diese Stundung nach § 222 Satz 4 AO ausgeschlossen sein, da der Arbeitgeber für die von ihm einbehaltene Lohnsteuer auch ohne Ergehen eines Haftungsbescheids haftet, der Haftungsanspruch also dem Entrichtungsanspruch gleichsteht. Der BFH hat[4] eine erhebliche Härte i. S. d. § 222 Satz 1 AO für diese Fälle verneint.

Das Stundungsverbot nach § 222 Sätze 3 und 4 AO wird teilweise für verfassungswidrig gehalten.[5] Keinesfalls kommt eine Stundung von Lohnsteuer in Betracht, soweit die Lohnsteuer nicht einbehalten und angemeldet worden ist. Denn insoweit besteht (noch) keine Zahlungsverpflichtung (Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis), die gestundet werden könnte. Dagegen ist eine Stundung bei pauschalierter Lohnsteuer weiterhin möglich, weil der Arbeitgeber diese selbst schuldet und daher kein Haftungsanspruch vorliegt.

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