Leitsatz

1. Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat einen Ausschluss des Rechts auf Abzug der Vorsteuer, mit der die Ausgaben für Mahlzeiten belastet sind, die von Betriebskantinen anlässlich von Arbeitssitzungen unentgeltlich an Geschäftspartner und an das Personal geliefert werden, nach Inkrafttreten dieser RL anwendet, obgleich dieser Ausschlusstatbestand zum Zeitpunkt dieses Inkrafttretens auf diese Ausgaben nicht tatsächlich anwendbar war, da eine Verwaltungspraxis galt, nach der die Leistungen dieser Kantinen gegen das Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug in Höhe ihres Selbstkostenpreises besteuert wurden, d.h. in Höhe eines nach den Herstellungskosten errechneten Preises, der dem Preis der Rohwaren und den Lohnkosten für die Zubereitung und den Verkauf der Speisen und Getränke sowie die Verwaltung der Kantine entsprach.

2. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass unter diese Vorschrift nicht die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten in Betriebskantinen an Geschäftspartner anlässlich von in den Räumlichkeiten der fraglichen Unternehmen stattfindenden Sitzungen fällt, wenn sich – was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist – aus objektiven Umständen ergibt, dass diese Mahlzeiten für strikt geschäftliche Zwecke abgegeben werden. Hingegen fällt die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten durch ein Unternehmen an sein Personal in seinen Räumlichkeiten grundsätzlich unter diese Vorschrift, es sei denn, dass die Erfordernisse des Unternehmens wie die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Ablaufs von Arbeitssitzungen es – was ebenfalls vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist – notwendig machen, dass die Lieferung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber sichergestellt wird.

 

Normenkette

Art. 6 Abs. 2, Art 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-RL (vgl. Art. 26, Art. 176 Abs. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 1b, § 3 Abs. 9a UStG)

 

Sachverhalt

D und A unterhielten Betriebskantinen, in denen an das Personal Speisen und Getränke verkauft und darüber hinaus unentgeltlich Mahlzeiten an Geschäftspartner bei in den Räumen des Unternehmens stattfindenden Sitzungen sowie an Arbeitnehmer bei Arbeitssitzungen innerhalb des Unternehmens abgegeben wurden.

Die dänische Finanzverwaltung ließ aufgrund einer Verwaltungsregelung jahrelang zu, dass für die unentgeltlich abgegebenen Mahlzeiten die Mehrwertsteuer nach dem Selbstkostenpreis der Mahlzeiten bemessen wurde und die Vorsteuer abziehbar war. Nachdem diese Praxis als rechtswidrig beurteilt worden war, vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, es handle sich insoweit um mit den Selbstkosten zu berücksichtigende Entnahmen.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen: Der EuGH betont, dass die Kontrolle, ob die Lieferung von Mahlzeiten durch Betriebskantinen einen geschäftlichen Charakter hat oder nicht, schwierig sein kann. Ergibt sich – was das nationale Gericht nachprüfen muss – aus objektiven Umständen, dass diese Lieferungen von Mahlzeiten für strikt geschäftliche Zwecke erfolgt sind, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL (vgl. Art. 26 MwStSystRL). Für die Abgrenzung gibt der EuGH folgende Hinweise:

So kann der Umstand, dass nur der Arbeitgeber die Kontinuität und den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen zu gewährleisten vermag, ihn dazu verpflichten, die Bewirtung der an diesen Sitzungen teilnehmenden Arbeitnehmer sicherzustellen. Im Streitfall bestand die Mahlzeit aus Sandwichs und kalten Gerichten, die unter besonderen Umständen im Sitzungsraum serviert wurden. Auch das sprach für die Annahme, dass die Arbeitnehmer weder den Ort noch die Uhrzeit, noch die Art der Mahlzeiten wählen konnten, da für diese Entscheidung der Arbeitgeber selbst verantwortlich war.

 

Hinweis

Der Rechtsstreit betrifft zwei Fragen; die Reichweite der Stillhalteklausel und die Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über unentgeltliche Wertabgaben.

1. Zur Stillhalteklausel

In Dänemark war im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. EG-RL der Vorsteuerabzug nicht im Sinn der Rechtsprechung des Gerichtshofs tatsächlich ausgeschlossen für Ausgaben, die unentgeltlich abgegebene Mahlzeiten von Betriebskantinen an das Personal und an Geschäftspartner betragen. Insoweit bestand nämlich eine Verwaltungsregelung, die die unentgeltlich abgegebenen Mahlzeiten als steuerpflichtige Umsätze mit Vorsteuerabzug behandelte. Dies reicht nach dem EuGH, dass eine spätere Einschränkung des Vorsteuerabzugs unzulässig ist, weil die Stillhalteklausel nicht eingreift.

2. Zur unentgeltlichen Wertabgabe

Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL bezweckt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Sicherstellung, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung gleicher Art erwirbt, gleich behandelt werden. Wird ein Steuerpflichtiger, we...

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