Agile Freiheit trotz Kontrolle

An den vorgestellten Argumenten für Agilität und den Auszügen aus der agilen Methodik lässt sich ablesen, dass sich das Führungs-, Entscheidungs- und Kontrollverhältnis im agilen Kontext verändern müssen. Wesentliche Herausforderung und gleichzeitig Grundvoraussetzung für die Steuerung agiler Teams ist damit das "Abschiednehmen von traditionellen Command-and-Control Mechanismen".[2] Während Agilität klar definierte und kontrollierte Strukturen und Prozesse, wie bspw. iterative Projektabläufe mit festgelegten Sprintergebnissen, erfordert, braucht es gleichzeitig das Loslassen von Entscheidungszentralisation, Weisung und Kontrolle. Das Verständnis und die Rolle von Führungskräften muss sich verändern. Im agilen Umfeld agieren Führungskräfte stärker als Coach, Überzeuger und Emergenz-Enabler, die ihre agilen Teams zur Entscheidungsdezentralisation und Eigenständigkeit befähigen.

Dabei kann der Scrum Master die Führungskraft dabei unterstützen, die richtige Balance zwischen "agiler Freiheit" und Kontrolle zu finden. Der Scrum Master behält dabei Risiken im Blick und unterstützt Team und Führung beim Ausbalancieren von agilen Prinzipien und Kontrolle und agiert somit als Moderator zur Umsetzung agiler Prozesse und Prinzipien.

Diese Art der Kontrolle basiert auf der Grundannahme, dass das Entwicklungsteam jederzeit die richtigen Schlüsse aus den vorgefundenen Gegebenheiten zieht. Da dies dem existierenden Sicherheitsverständnis vieler Unternehmen und ihrer Manager nicht vollständig entspricht, werden häufig weitere Systeme installiert, die es einerseits dem Team erleichtern sollen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und andererseits auch die Verantwortlichen des Unternehmens befähigen, einzelne Entwicklungsteams in die gewünschte Richtung zu steuern.

[1] Vgl. Cho, 2008, S. 191.
[2] Vgl. Cobb, 2011, S. 107.

2.1 Unterschiede in der Steuerung traditioneller und agiler Projektteams

Kontrollprinzipien agiler und traditioneller Projekte

Um im Folgenden die Unterschiede zwischen klassischer und agiler Projektsteuerung hervorzuheben, werden einige wichtige Steuerungsaufgaben vorgestellt und verglichen (s. Tab. 2).[1]

 
  Traditionelles Projekt Agiles Projekt
Ausrichtung und Kontrolle von Prozessen Durch das PMO werden Prozesse ausgerichtet, standardisiert und kontrolliert. Das Projektteam, geleitet durch den Scrum Master, definiert, implementiert und verbessert Prozesse kontinuierlich eigenständig.
Kontrolle von Ergebnissen und Projekterfolgen Der Projektleiter/-manager ist für das regelmäßige Tracking und Reporting der Projekterfolge und -fortschritte zuständig und behält dabei Kosten und Meilensteinerreichung im Blick. Das Projektteam überwacht den eigenen Fortschritt selbst und integriert zum eigenen Team-Reporting sog. "Burndown Charts".
Management von Risiken Der Projektleiter/-manager ist stellvertretend für alle Stakeholder dafür verantwortlich, das Risikomanagement zu steuern. Das Projektteam übernimmt die Risikosteuerung eigenständig, wobei der Product Owner eine entscheidende Rolle spielt und in seinen Entscheidungen immer die Bedarfe der Stakeholder im Blick behält.
Ressourcenverantwortung Die funktionale Führungskraft entscheidet projektübergreifend über die Ressourcenverteilung. Innerhalb eines Projekts definiert und verteilt der Projektmanager die Aufgaben, deren Qualität er auch am Ende sicherstellen muss. Das Projektteam stellt sich funktional auf und definiert, verteilt und bearbeitet Aufgaben eigenständig. Auch die Qualitätssicherung der Aufgaben liegt dabei in der Verantwortung des Teams.

Tab. 2: Vergleich agiler und traditioneller Projekt-Kontrollprinzipien

Durch die Einführung agiler Projektmanagementmethoden übernimmt das Projektteam mehr Verantwortung für die Durchführung und den Erfolg von Projekten. Kontrollmechanismen müssen für diese Entwicklung angepasst werden, um auch in Zukunft einen reibungsfreien Projektablauf und eine Minimierung der möglichen Risiken zu gewährleisten.

[1] Vgl. Cobb, 2001, S. 104 ff.

2.2 Empirische Prozesskontrolle

Aus Erfahrung lernen

Die "empirische Prozesskontrolle" bildet die Basis der Kontrolle in agilen Projekten, insbesondere bei Scrum-Projekten.[1] Sie basiert auf der Annahme, dass Wissen auf Erfahrung beruht. Aufgrund der iterativen und inkrementellen Vorgehensweise agiler Projektmanagementmethoden können die funktionsübergreifenden Teams bei der Entscheidungsfindung auf die in vergangenen Iterationen gewonnenen Erfahrungen zurückgreifen. Dadurch wird von Iteration zu Iteration die Vorhersagegenauigkeit bzgl. des zu erwartenden Ergebnisses verbessert und die Risikoabschätzung präzisiert.

Die empirische Prozesskontrolle stützt sich dabei auf 3 Grundpfeiler: Transparenz, Überprüfung und Adaption.

  • Transparenz: Die Schaffung von Transparenz über alle Facetten des Entwicklungsprozesses ist essenziell, um einen einfachen und unbürokratischen Informationsaustausch unter den Beteiligten zu ermöglichen und damit die notwendige offene und innovative Kultur in der gesamten Organisation zu fördern.
  • Überprüfung: Die regelmäßige Überprüfung der (Teil-)Ergeb...

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