Vereinfachend kann gesagt werden, dass von Strafgerichten pro ca. 65.000 EUR verkürzter Steuer ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt wird. Es bestehen allerdings in der Spruchpraxis der Strafgerichte erhebliche Unterschiede, wobei selbstverständlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalls letztlich entscheidend sind. Kurze Freiheitsstrafen (unter 6 Monaten) verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen). Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftat mehr begehen wird. In Steuerstrafsachen wird diese günstige Täterprognose regelmäßig gestellt. Nach § 56 Abs. 2 StGB kann das Gerichtunter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die 2 Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten vorliegen.[1]

 
Hinweis

Bemessung der Freiheitsstrafe

In Steuerstrafverfahren gelangt § 56 Abs. 2 StGB, d. h. die 2-jährige Freiheitsstrafe auf Bewährung i. R. von Verständigungen über den Verfahrensausgang ("deal") häufig zur Anwendung.

Panik in den Gazetten hat das Judikat des BGH[2] ausgelöst, nach dem nunmehr die Steuerhinterziehung und insbesondere der Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung strafrechtlich genauso gewürdigt werden soll, wie der Verstoß gegen sonstige Vermögensdelikte (z. B. Betrug, Untreue etc.). Das bedeutet nach Auffassung des BGH:

‚Jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag wird die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Im vorliegenden Fall lag ein Millionenbetrag vor, sodass der BGH der Auffassung war, dass ein Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht mehr geeignet ist.

Die Praxis sieht jedoch anders aus. Wie geschildert, handelt es sich bei dem Phänomen der Steuerverkürzung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um eine Massenerscheinung. Die Fälle können nur noch grobschlägig bearbeitet werden. Die Steuerfahndung arbeitet hier allerdings mit dem Angstfaktor, indem sie auf eine gute Presse setzt. Es wird nur auf die inszenierte Verhaftung des ehemaligen Postchefs Dr. Klaus Zumwinkel hingewiesen, der als Paradebeispiel diente, wie es gleichartigen potenziellen Steuersündern ergehen wird. Die Verhängung von Freiheitsstrafen ohne Bewährung kommt nur in folgenden Fällen in Betracht:

  • Verkürzung von mehr als 1 Mio. EUR,
  • Steuerpflichtiger ist bereits vorbestraft,
  • simultane Erfüllung anderer Straftatbestände (insbesondere Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, zu deutsch: Sozialversicherungsbetrug).

Insbesondere im Fall der Schwarzarbeitsbranche (z. B. Rotlichtmilieu), wo eine Vielzahl von Straftatbeständen "im Paket" erfüllt werden, kann dann in "Großfällen" auch eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren verhängt werden, die dann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Auch bei gewerbsmäßig und bandenmäßig begangener Steuerhinterziehung bei Umsatzsteuer-Karussellen mit Millionenschäden können mehrjährige Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt werden.

Zur Klarstellung: Der hiesige Rechtsanwalt hat auch bei betuchten Menschen, die mehr als 1 Mio. EUR hinterzogen haben, bisher keinen Fall erlebt, dass ein Angeklagter mehr als 2 Jahre ohne Bewährung als Strafmaß erhalten hat. Es müssen dann weitere Kriterien für eine solch hohe Strafe hinzukommen. Insbesondere wenn – wie im Fall Dr. Zumwinkel – der Steuerhinterzieher geständig und reumütig ist und die verkürzten Steuern zeitnah bezahlt, wird stets eine Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Ersttätern zu favorisieren sein. Daran hat auch die Rechtsprechung des BGH im Grunde nichts geändert. Es fehlen einfach Strafverfolgungskapazitäten (einschl. der Kontingente an Gefängniszellen), um alle Steuersünder nach den Vorstellungen des BGH einer "gerechten" Bestrafung zuzuführen. Wichtig bei der Angelegenheit ist, dass die Strafverfolgungsbehörden primär die Realisierung der hinterzogenen Steuern im Rahmen einer zeitnahen Zahlung im Auge haben. Die Bestrafung ist mehr oder weniger Mittel zum Zweck, um den Steuerpflichtigen gefügig zu machen, z. B. Verzicht von Einsprüchen bei geschätzten Steuerbescheiden etc. Dies sollte im Rahmen von tatsächlichen Verständigungen im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren beachtet werden.

[1] §§ 47 Abs. 1, 56a Abs. 1 StGB; Dörn, in: Flore/Dörn/Gillmeister, Steuerfahndung und Steuerstrafverfahren, 2. Aufl. S. 331.

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