Rz. 137

Latente Steuern sind auf temporäre Differenzen und ungenutzte steuerliche Verlustvorträge abzugrenzen. Im Gegensatz zur Regelung des § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB, nach dem die aus Einzelabschlüssen resultierenden Überhänge der aktiven latenten Steuern über die passiven latenten Steuern nur aktiviert werden dürfen, besteht für latente Steuern nach IAS 12 bei Vorliegen der Aktivierungskriterien, unabhängig davon, ob es sich um aktive oder passive latente Steuern handelt, eine grundsätzliche Aktivierungspflicht.

 

Rz. 138

Die Ermittlung der abgrenzungsfähigen temporären Differenzen aus latenten Steuern erfolgt in 3 Stufen:

Auf der ersten Stufe wird festgestellt, ob eine Differenz zwischen den Buchwerten der IFRS-Bilanz (Einzel- oder Konzernabschluss) und den Steuerwerten (z. B. Buchwerten der Steuerbilanz, ggf. auch korrigiert um außerbilanzielle steuerliche Korrekturen) vorliegt (IAS 12.5). Hierbei können sich folgende Konstellationen ergeben:

 
  IFRS-Buchwert > Steuerwert IFRS-Buchwert < Steuerwert
Vermögenswerte Passive Differenzen Aktive Differenzen
Schulden Aktive Differenzen Passive Differenzen

Tab. 5: Feststellung der Differenzen zwischen IFRS- und Steuerwerten[1]

Auf der zweiten Stufe erfolgt dann die Prüfung, ob die auf der ersten Stufe ermittelten Differenzen temporärer oder permanenter Natur sind. Voraussetzung für temporäre Differenzen ist, dass sich die bilanziellen Differenzen zwischen IFRS-Buchwert und Steuerwert spätestens bis zur Liquidation des Unternehmens ausgleichen.[2] Demgegenüber liegen permanente Differenzen vor, die nicht Gegenstand der latenten Steuerabgrenzung sind, wenn sich die Differenzen zwischen IFRS-Bilanz und Steuerbilanz nicht während des Bestehens des Unternehmens ausgleichen.

Die auf der zweiten Stufe identifizierten temporären Differenzen dürfen jedoch nur dann als latente Steuern angesetzt werden, wenn ihrem Ansatz kein IFRS-spezifisches Abgrenzungsverbot entgegensteht (IAS 12.15, 12.24, 12.39 und 12.44).

Weiterhin ist für den Ansatz aktiver Steuerlatenzen zusätzliche Voraussetzung, dass mit (hinreichender) Wahrscheinlichkeit künftig genug steuerpflichtiges Einkommen vorliegt, um einen wirksamen Abzug des Verrechnungspotenzials vornehmen zu können (IAS 12.24 i. V. m. 12.27).

 

Rz. 139

Im Unterschied zu den handelsrechtlichen Ausnahmen vom temporären Abgrenzungskonzept sind die Ausnahmen nicht auf den Konzernabschluss beschränkt.[3] Da die IFRS-Rechnungslegung keinen negativen Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung kennt, erübrigt sich die Schaffung einer diesbezüglichen Ausnahmeregelung. IAS 12.39 und IAS 12.44 enthalten Ausnahmeregelungen für die outside basis differences auf die Beteiligungsbuchwerte, d. h. Differenzen zwischen dem in der Konzernbilanz für eine Konzerngesellschaft angesetzten Nettovermögen und dem Beteiligungsbuchwert in der Steuerbilanz des Mutterunternehmens. Während nach § 306 Satz 4 HGB generell latente Steuern auf outside basis differences von der Steuerabgrenzung ausgenommen sind, werden diese im IFRS-Konzernabschluss nur unter den in IAS 12.39 und 12.44 genannten Bedingungen ignoriert (insbesondere Wahrscheinlichkeit der nicht erfolgenden Umkehr in absehbarer Zeit und im Falle von passiven Differenzen sind das Mutterunternehmen, die Anteilseigner oder das Partnerunternehmen in der Lage, die Auflösung der temporären Differenz zu steuern).

 

Rz. 140

Sofern in der Zukunft zu versteuerndes Einkommen voraussichtlich zur Verfügung stehen wird, ist für den ökonomischen Vorteil, dass ein bestehender steuerlicher Verlustvortrag gegen künftige Ergebnisse verrechnet werden kann, ein Aktivposten in Höhe des zu erwartenden Steuerminderungsanspruchs zu bilanzieren (IAS 12.34). Für den Ansatz eines Steueranspruchs aus abzugsfähigen temporären Differenzen und Verlustvorträgen gilt grundsätzlich die gleiche Voraussetzung, nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass künftiges zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, welches gegen den Verlustvortrag verrechnet werden kann. Ergänzend weist IAS 12.35 darauf hin, dass bei einer Historie von Verlusten in der jüngeren Vergangenheit eines Unternehmens aktive latente Steuern aus Verlustvorträgen nur angesetzt werden dürfen, wenn substanzielle Hinweise für das Vorhandensein künftiger Ergebnisse vorliegen.[4]

Das Management hat beim Ansatz aktiver latenter Steuern einen erheblichen Schätzungsspielraum bei der Beurteilung des Vorhandenseins des künftigen zu versteuernden Ergebnisses, da nicht nur ein einzelner Sachverhalt hinsichtlich der Ertragsaussichten der Beurteilung unterliegt, sondern die Gesamtheit aller Unternehmensaktivitäten, und weiterhin im Unterschied zum deutschen Handelsrecht IAS 12 für die Prognose der zukünftigen zu versteuernden Ergebnisse keinen Zeithorizont vorgibt.

Im Falle eines zeitlich begrenzten Verlustvortrags bedarf es einer detaillierten Prognose des künftig zu versteuernden Einkommens während des steuerlichen Verlustvortragszeitraums.

Bei zeitlich unbegrenztem Verlustvortrag wird unter der Vor...

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