Rz. 68

Die Abgrenzung der latenten Steuern im HGB-Jahresabschluss ist zunächst in § 274 HGB geregelt. Gem. § 274a Nr. 4 HGB haben kleine und Kleinst-Kapitalgesellschaften (einschließlich kleine und Kleinst-Kapitalgesellschaften & Co) i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB ein Wahlrecht zur Steuerabgrenzung nach § 274 HGB.[1] Die Steuerabgrenzung nach § 274 HGB folgt dem temporären Abgrenzungskonzept. Danach sind in einem ersten Schritt die Differenzen zwischen den Handelsbilanzwerten und den steuerlich relevanten Wertansätzen (Steuerbilanzbuchwerte, ggf. einschließlich außerbilanzieller steuerlicher Korrekturen) festzustellen. In einem zweiten Schritt ist erforderlich, dass diese Differenz sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich ausgleicht; ein konkreter oder ein zeitlich genau bestimmter Zeithorizont für den Ausgleich ist hingegen nicht erforderlich. Demgegenüber dürfen Differenzen, die sich voraussichtlich nicht in künftigen Geschäftsjahren ausgleichen (permanente Differenzen), nicht abgegrenzt werden; beispielsweise zählen 95 % der Differenzen aus den Beteiligungsbuchwerten (bei einer Mindestbeteiligungsquote von 15 %[2]) nach § 8b Abs. 2, 3 KStG zu den permanenten Differenzen.

 

Rz. 69

Eine passive latente Differenz ergibt sich danach, wenn

  • der Handelsbilanzbuchwert eines Aktivpostens den steuerlich relevanten Wertansatz übersteigt und sich diese Differenz in künftigen Geschäftsjahren voraussichtlich wieder abbaut (z. B. nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB in der Handelsbilanz aktivierte selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens; vgl. demgegenüber das steuerliche Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG[3]); ein weiteres Beispiel ist die Bewertung von Vermögensgegenständen, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen (Plan- oder Deckungsvermögen), mit ihrem beizulegenden Zeitwert,[4] welcher die – in der Steuerbilanz anzusetzenden – (fortgeführten) Anschaffungskosten übersteigt[5] oder
  • der Handelsbilanzbuchwert eines Passivpostens den steuerlich relevanten Wertansatz unterschreitet und sich diese Differenz in künftigen Geschäftsjahren voraussichtlich wieder abbaut (z. B. Bildung steuerlicher Rücklagen, z. B. nach § 6b EStG oder R 6.6- EStR-Rücklagen in der Steuerbilanz bei gleichzeitigem Ansatzverbot in der Handelsbilanz)[6].

Eine aktive latente Differenz ergibt sich dann, wenn

  • der Handelsbilanzbuchwert eines Aktivpostens den steuerlich relevanten Wertansatz unterschreitet und sich diese Differenz in künftigen Geschäftsjahren voraussichtlich wieder abbaut (z. B. außerplanmäßige Abschreibung auf Finanzanlagen und Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 und Abs. 4 HGB auch bei einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung; vgl. demgegenüber das sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ergebende Abwertungsverbot bei einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung);
  • der Handelsbilanzbuchwert eines Passivpostens den steuerlich relevanten Wertansatz überschreitet und sich diese Differenz in künftigen Geschäftsjahren voraussichtlich wieder abbaut. (Rückstellungen sind nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. Abs. 2 HGB zu dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag unter Abzinsung mit einem der Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 bzw. 10 Geschäftsjahre abzuzinsen; demgegenüber dürfen bei der steuerlichen Bewertung der Rückstellung keine künftigen Preissteigerungen eingerechnet werden und die Abzinsung erfolgt zu einem vom jeweiligen Marktzinsniveau unabhängigen Standardzins von 5,5 % p. a.[7] bzw. 6 % p. a.[8] Ein weiteres typisches Beispiel sind Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, für die handelsrechtlich ein Passivierungsgebot nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB und steuerlich nach § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG ein generelles Ansatzverbot besteht, ausgenommen es handelt sich um entgeltlich übernommene Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften.)[9]
 

Rz. 69a

Aufgrund des temporären Abgrenzungskonzepts unterliegen bei Personenhandelsgesellschaften auch ergebnisneutral entstandene Differenzen auf die in den steuerlichen Ergänzungsbilanzen enthaltenen Mehr- oder Minderwerte der latenten Steuerabgrenzung[10]. Hingegen erfolgt keine Abgrenzung von latenten Steuern auf die in Sonderbilanzen (vgl. Rz. 17) enthaltenen Wirtschaftsgüter, da diese nicht zum Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaften zählen[11]

 
Praxis-Beispiel

Ein zum 31.12.00 in eine Personenhandelsgesellschaft eintretender Gesellschafter G zahlt einem aus dieser Personenhandelsgesellschaft ausscheidenden Gesellschafter die Höhe des auf ihn in der Personenhandelsgesellschaft entfallenden Kapitalkontos zuzüglich einer Mehrzahlung zur Abgeltung eines auf den ausscheidenden Gesellschafter anteilig entfallenden Geschäfts- oder Firmenwerts und anteiliger sti...

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