Leitsatz

1. Freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten einer Spielbank für das Servieren von Speisen und Getränken können steuerfreie Trinkgelder i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG sein.

2. Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 31, Nr. 51, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 42e Satz 1 EStG, § 11 Abs. 1, Abs. 3 SpBG

 

Sachverhalt

K war "Saalassistent" in der Spielbank A und bediente dort kellnerähnlich Gäste. Anders als Croupiers gehörte K tarifvertraglich nicht zum spieltechnischen Personal. Freiwillige Zuwendungen an Saalassistenten für ihre Kellnertätigkeit waren danach arbeitstäglich zu erfassende und nur zugunsten der Saalassistenten zu verwendende Trinkgelder. Das Trinkgeldaufkommen wurde nach einem Punktesystem unter den Saalassistenten verteilt und mit dem Monatslohn ausgezahlt. A behandelte die an K ausgezahlten Gelder als steuerfreies Trinkgeld. K erhielt auch Kleidergeld in Höhe von 862 EUR; eine dazu ergangene, aber 2009 widerrufene Anrufungsauskunft erklärte das Kleidergeld für steuerfrei. Das FA erfasste die Trinkgelder und das Kleidergeld als steuerpflichtigen Lohn, ebenso das FG (FG Berlin-Brandenburg vom 14.5.2014, 7 K 7031/11, Haufe-Index 7013565, EFG 2014, 1569).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung zwar hinsichtlich des steuerpflichtigen Kleidergeldes, ging aber entgegen dem FG von steuerfreien Trinkgeldern aus.

 

Hinweis

Trinkgeld ist einkommensteuerbarer, aber nach § 3 Nr. 51 EStG steuerbefreiter Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; allerdings ist nicht jede Geldhingabe "Trinkgeld". So sind etwa aus dem Spielbanktronc finanzierte Zahlungen an Arbeitnehmer der Spielbank (BFH, Urteil vom 18.12.2008, VI R 49/06, BFH/NV 2009, 479, BFH/PR 2009, 166) und Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit (BFH, Urteil vom 10.3.2015, VI R 6/14, BFH/NV 2015, 1173, BFH/PR 2015, 285) keine solche steuerfreien Trinkgelder.

1. Die hier streitigen Zahlungen der Spielbankbesucher an die Saalassistenten waren an der dafür von der Rechtsprechung selbst geschaffene Begriffsumschreibung (dazu BFH/PR 2009, 166, BFH/PR 2015, 285) zu messen: dienstleistender Arbeitnehmer, zusätzliche freiwillige Vergütung des Dritten, gewisse persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Drittem durch persönliche Zuwendung als honorierende Anerkennung, "belohnte" Dienstleistung, Korrespondenz von Geldfluss und honorierter Leistung, "doppelte Leistungsbeziehung" und "doppeltes Entgelt", nämlich Arbeitsentgelt und Trinkgeld und neuerdings noch der Blick auf den traditionellen Begriffskern entsprechend den Motiven des Gesetzgebers: Trinkgelder betreffen den Niedriglohnsektor, nämlich Berufe, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen (BT-Drucks. 14/9029, S. 3).

2. Die Gelder hier waren Trinkgelder, nämlich freiwillige Zahlungen, der tarifvertragliche Anspruch betraf nur die Verteilung und Auskehrung. Im Unterschied zu Tronc-Fällen (BFH/PR 2009, 166) bestand auch die typische persönliche und unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen Saalassistenten und Spielbankkunden, es gab nicht, wie z.B. bei Croupiers, ein gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot. Schließlich wurden die Trinkgelder hier in der typischen Weise "dem Arbeitnehmer von Dritten" gegeben, wenn auch vorübergehend in eine Sammelkasse. Eine solche Sammelkasse ist ein typischer Anwendungsfall einer "Poolung von Einnahmen" – vom Lohnsteuersenat schon früher als typische Trinkgeldkasse beurteilt (BFH, Urteil vom 18.12.2008, VI R 8/06, BFH/NV 2009, 382). Entscheidend ist, dass das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben wird und sie entweder originär Miteigentum am Inhalt der Trinkgeldkasse erwerben, jedenfalls aber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Überlassung des Inhalts der Trinkgeldkasse haben.

3. Die Zahlungen für Kleidergeld waren nicht nach § 3 Nr. 31 EStG steuerfrei, unabhängig davon, ob der vom Saalassistenten K getragene Anzug überhaupt als typische Berufskleidung gilt. Denn K hatte schon keine konkreten Aufwendungen nachgewiesen. ­Allein eine pauschale Zahlung des Arbeitgebers mit der Zweckbestimmung "Kleidergeld" genügt nicht für einen steuerfreien Werbungskostenersatz. Schließlich half auch nicht die früher erteilte Anrufungsauskunft. Denn die entfaltet bekanntlich für die Veranlagung der Arbeitnehmer keine Bindung (BFH, Urteil vom 13.1.2011, VI R 61/09, BFH/NV 2011, 883, BFH/PR 2011, 205).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.6.2015 – VI R 37/14

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