Leitsatz

Im Rahmen eines PPP-Projekts können mehrere umsatzsteuerlich getrennt voneinander zu beurteilende Leistungen erbracht werden. Dabei kann die "Vorfinanzierung des Bauaufwandes" als eigenständige steuerfreie Kreditgewährung beurteilt werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen in den Bereichen Hochbau, Tiefbau und Ingenieurbau. Über eine umsatzsteuerrechtliche Organtochter hat sie im Rahmen eines sog. PPP-Projektes (Public-Private-Partnership) die Sanierung einer Studentenwohnanlage übernommen. Der Sachverhalt kann - vereinfacht ausdrückt - als "Nießbrauch und lease back" bezeichnet und - ebenfalls stark vereinfacht - wie folgt dargestellt werden:

Das Bauunternehmen wird als Generalunternehmerin beauftragt. Die Organtochter erhält ein Nießbrauchsrecht an den Studentenwohnheimen (inklusive Grund und Boden) gegen Einmalzahlung (2 Millionen Euro), verpflichtet sich, diese zu sanieren und dem Studentenwerk über 20 Jahre mietweise zu überlassen. Die Beteiligten gehen im Vertrag davon aus, dass die Finanzierung des Bauaufwandes als eigenständige Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG umsatzsteuerbefreit ist. Die Mieten bemessen sich nach dem Bauaufwand, der Finanzierungsleistung sowie dem Entgelt für den Nießbrauch. Zur Refinanzierung wurden die Mietforderungen an die Bank veräußert.

Im Rahmen einer späteren Außenprüfung geht das Finanzamt davon aus, dass es sich insgesamt nur um eine Werklieferung (Hauptleistung) handelt und die Ratenzahlung keine umsatzsteuerbefreiten Anteile enthält.

 

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts liegen mehrere umsatzsteuerlich getrennt von einander zu beurteilende Leistungen vor. Der "Leistungsteil Kreditfinanzierung" kann somit als eigenständige, steuerfreie Kreditgewährung beurteilt werden. Von mitentscheidender Bedeutung ist nach Ansicht des Gerichts, dass die Parteien im Vertrag ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass sie den Finanzierungsteil als nach § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerfreie Leistung ansehen. Dies entspricht letztlich der vom BMF vertretenen Auffassung zur Thematik "PPP-Projekten im Straßenbau" (vgl. Schreiben v. 3.2.2005, BStBlI 2005 S. 415). Dort geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Private regelmäßig die Vorfinanzierung übernimmt und dabei eine steuerfreie Kreditgewährung in Betracht kommt. Der Steuerfreiheit steht nach Ansicht des Finanzgerichts nicht entgegen, dass die Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht ausdrücklich den Jahreszins angegeben haben (vgl. die strengen Anforderungen der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.11 Abs. 2 UStAE).

 

Hinweis

Unter dem Mantel "PPP-Projekt" finden sich in der Praxis teils sehr unterschiedliche Vertragskonzeptionen, die jedoch regelmäßig - aus umsatzsteuerlicher Sicht - ein Ziel gemeinsam haben: Mangels umfassender Vorsteuerabzugsmöglichkeiten des Leistungsempfängers (öffentliche Hand = public) soll die Umsatzsteuerbelastung möglichst niedrig sein, insbesondere soll die Umsatzsteuerfreiheit auf "Finanzierungsleistungen im weitesten Sinne" erreicht werden. So auch im hier besprochenen Streitfall. Dass hier umsatzsteuerrechtlich - trotz des anders lautenden Vertragswortlauts - kein Mietverhältnis vorlag, ist offenkundig, da die Verfügungsmacht an den Studentenwohnheimen ab Fertigstellung des jeweiligen Gebäudes auf das Studentenwerk überging, das bereits zuvor bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des jeweiligen Grundstücks war. Insoweit wurde die Leistung der Organtochter nicht als Vermietung, sondern als Werklieferung eingestuft, was in der Praxis nicht unüblich ist.

Bemerkenswert ist, dass das Finanzgericht die strengen Anforderungen der Finanzverwaltung (vgl. jetzt Abschnitt 3.11 Abs. 2 UStAE) zur Steuerfreiheit der Kreditgewährung in Zusammenhang mit anderen Umsätzen etwas aufweicht. Entscheidend war ganz offenkundig, dass die Vertragsparteien im Vertragswerk zum Ausdruck gebracht haben, dass ein Teil des Gesamtpakets als umsatzsteuerfreie Finanzierungsleistung angesehen werden soll.

Ob tatsächlich eine eigenständige umsatzsteuerfreie Leistung (Kreditierung des Leistungsentgelts) vorliegt, muss der BFH im nun anhängigen Revisionsverfahren (Aktenzeichen XI R 24/11) abschließend entscheiden. Bis dahin tut die Gestaltungspraxis gut daran, wenn sie sich möglichst strikt an den Vorgaben der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.11 Abs. 2 UStAE orientiert, zumal aufgrund der regelmäßig hohen Finanzierungsvolumina im Rahmen von PPP-Projekten stets beträchtliche Zusatzbelastungen (Umsatzsteuer auf Finanzierungsanteil) auf dem Spiel stehen.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.08.2011, 16 K 276/08

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