Im Zusammenhang mit der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten gehört die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zu den Aufgaben der Fahndung. Nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO fällt ferner die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle in den Aufgabenbereich der Steuerfahndung, sog. Vorfeldermittlungen.

Ein "unbekannter Steuerfall" i. S. v. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO liegt sowohl in den Fällen vor, in denen die Person unbekannt ist, von der vermutet wird, dass sie einen Steuertatbestand verwirklicht hat, als auch in den Fällen, in denen zwar eine Person, nicht jedoch eine Tatbestandsverwirklichung bekannt ist.[1]

Von dem Recht, Ermittlungen anzustellen, dürfen die Steuerfahndungsstellen Gebrauch machen, wenn wenigstens objektiv die Möglichkeit besteht, dass Steuerverkürzungen eintreten könnten.

Während der strafrechtliche Anfangsverdacht voraussetzt, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Tat vorliegen, genügen im Rahmen der Befugnis nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO abstrakte Anhaltspunkte, also auch eine allgemeine Erfahrung, nach der die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung in Betracht kommt.[2]

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Erfahrungen der Finanzbehörden muss ein Kontrollbedürfnis in dem Sinne bestehen, dass mit der Aufdeckung unbekannter Steuerfälle zu rechnen ist. Es genügt, dass nach allgemeiner Steuerverkürzungserfahrung bestimmte Sachverhalte besonders "verkürzungsträchtig" oder kontrollbedürftig sind.

Die Steuerfahndung ist nicht auf die Einholung solcher Auskünfte beschränkt, die mit großer Wahrscheinlichkeit und unmittelbar der Feststellung eines zur Besteuerung führenden Sachverhalts zu dienen vermögen. Es muss vielmehr genügen, wenn sie im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zum Ergebnis gelangt, dass die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag.

Zu diesen Tatsachen zählt alles, was die konkrete finanzbehördliche Entscheidung beeinflusst bzw. beeinflussen kann. Die Steuererheblichkeit der zu ermittelnden Tatsache muss jedenfalls möglich sein.[3]

Die Anordnung von Vorfeldermittlungen findet insbesondere im Bereich des Rotlichtmilieus (einschl. Telefonsex) und in der Baubranche statt, wo erfahrungsgemäß viele in- und ausländische Arbeitskräfte als Schwarzarbeiter tätig sind.

 
Hinweis

Auskunftsersuchen: Internethandelsplattform, Generalunternehmer und Prostituierte

Die Beantwortung eines Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform kann nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung dieser Daten abelehnt werden.[4]

Im Rahmen des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet v. 11.12.2018 werden alle Betreiber elektronischer Marktplätze dazu verpflichtet, bestimmte Daten zu erfassen, u. a. Name, vollständige Anschrift, Steuernummer, Versand- und Lieferadresse, Zeitpunkt und Höhes des Umsatzes.[5]

Die Betreiber sollen für nicht entrichtete Steuern aus Lieferungen haften, die über den eigenen elektronischen Marktplatz rechtlich begründet wurden. Hiervon können sie sich befreien, wenn sie gewisse Aufzeichnungspflichten erfüllen oder steuerunehrliche Händler von ihrem Marktplatz ausschließen. Die neue Regelung ist am 1.1.2019 in Kraft getreten. Damit geht Deutschland entschlossen gegen den Steuerbetrug beim Online-Handel vor, noch bevor voraussichtlich im Jahr 2021 parallel erarbeitete europäische Maßnahmen wirksam werden können.

Nach § 22f UStG müssen Betreiber elektronischer Marktplätze ab Januar 2019 Daten ihrer Händler erfassen. Aufgezeichnet werden müssen Name, Anschrift, Steuer-Nr., USt-Identifikationsnummer, Geburtsdatum bei natürlichen Personen, Versendungs- und Bestimmungsort sowie Umsatzhöhe und -zeitpunkt. Zur Überwachung können die Finanzbehörden abweichend von § 93 Abs. 1a S. 2 AO anlasslos und unmittelbar Sammelauskunftsersuchen stellen.

Außerdem wird für die Betreiber mit § 25e UStG eine Haftungsvorschrift für nicht entrichtete USt aus dem Handel über ihre Plattform eingeführt. Der Haftung können die Unternehmen entgehen, wenn sie gewisse Aufzeichnungspflichten erfüllen bzw. steuerunehrliche Händler von ihrem Marktplatz ausschließen. Die Vorschriften sollen den USt-Betrug insbesondere von in Drittländern ansässigen Online-Händlern unterbinden, die sich in Deutschland nicht registrieren und keine USt abführen.[6]

Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung an einen Generalunternehmer kann nur dann auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO gestützt werden, wenn ein hinreichender Anlass für das Vorliegen einer Steuerverkürzung gegeben ist. Alleine der Einsatz von Subunternehmern in der Baubranche rechtfertigt Vorfeldermittlungen bei den Generalunternehmen grundsätzlich nicht.[7]

Kontrollbesuche der Steuerfahndung in Räumlichkeiten, die an Prostituierte zur Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit vermietet worden sind, sind grundsätzlich – in angemessener und zumutbarer Häufigkeit – zur Auf...

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