Leitsatz

1. Die Begrenzung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ist betriebsbezogen zu ermitteln.

2. Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften ist der für den Schlussgesellschafter festgestellte anteilige Gewerbesteuer-Messbetrag zum Zwecke dieser Ermittlung aufzuteilen, soweit er auf verschiedene Mitunternehmerschaften entfällt.

 

Normenkette

§ 35, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 52 Abs. 50a Satz 2 EStG, § 28 GewStG, § 68, § 127 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Kommanditist der A-KG, die ihrerseits als Kommanditistin an der B-KG beteiligt war. Die B-KG war Kommanditistin der C-KG. Sowohl die B-KG als auch die C-KG hatten Gewerbesteuer zu zahlen. Das FA berechnete für das Streitjahr 2008 die Steuerermäßigung nach § 35 EStG, indem es die Steuerermäßigung für jede Beteiligung, auch Unterbeteiligung, gesondert errechnete und die Beträge anschließend addierte. Der Kläger beantragte demgegenüber eine Steuerermäßigung, die dem 3,8-fachen der Summe der Gewerbesteuer-Messbeträge entsprach. Das FG hat die Klage abgewiesen (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 29.10.2014, 5 K 115/12, Haufe-Index 7714925, EFG 2015, 986). Mit seiner Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG unternehmerbezogen auszulegen.

 

Entscheidung

Die Revision war unbegründet. Der BFH urteilte, das FG habe zu Recht erkannt, dass die Begrenzung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG betriebsbezogen zu ermitteln sei.

 

Hinweis

1. Die Steuerermäßigung des § 35 EStG bei Einkünften aus Gewerbebetrieb kompensiert die Belastung aufgrund der Gewerbesteuer durch deren partielle Anrechnung auf die Einkommensteuer. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag) um das 3,8-fache des jeweils für den dem VZ entsprechenden Erhebungszeitraum für das Unternehmen festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags. Nach der Formel in § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG begrenzt der Ermäßigungshöchstbetrag die Entlastung durch anteilige Zurechnung der Einkommensteuer auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des betreffenden Steuerpflichtigen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ist der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags zudem auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt.

2. Besitzt der Steuerpflichtige mehrere gewerbliche Unternehmen oder gewerbliche mitunternehmerische Beteiligungen in unterschiedlichen Gemeinden mit Hebesätzen, die teilweise über, teilweise unter dem Schwellenwert von 400 % liegen, hängt der Entlastungsumfang von dem Verständnis des § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG ab.

Wird die "tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer" auf den einzelnen Betrieb bezogen (betriebsbezogene Auslegung), ist der Steuerermäßigungsbetrag für jeden Betrieb getrennt zu ermitteln und entweder durch das 3,8-fache des jeweiligen Gewerbesteuer-Messbetrags oder bei niedrigeren Hebesätzen durch die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzt.

Wird die "tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer" demgegenüber auf den Steuerpflichtigen bezogen (unternehmerbezogene Auslegung), so ist der Höchstbetrag für alle Betriebe oder Mitunternehmeranteile des Steuerpflichtigen gemeinsam zu ermitteln. Die Addition der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer in Niedrighebesatz- und Hochhebesatzgemeinden kann Verrechnungsvolumen schaffen, das ggf. eine Entlastung bis hin zum 3,8-fachen aller Gewerbesteuer-Messbeträge erlaubt.

3. Der X. Senat gibt der betriebsbezogenen Ausle­gung den Vorzug und bestätigt damit die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 24.2.2009 i.d.F. vom 3.11.2016, BStBl I 2016, 1187, Rzn. 9, 25).

Grund ist zum einen die gesetzliche Systematik, in die § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG eingebettet ist, da die betriebsbezogenen Elemente den Charakter der Vorschrift prägen, auch wenn in § 35 EStG betriebsbezogene und personenbezogene Elemente zusammentreffen. Auch bestätigt die Gesetzgebungshistorie des § 35 EStG (Einführung durch das StSenkG und Modifikation durch das UntStRefG 2008) diesen Befund.

Vor allem aber vermeidet die betriebsbezogene ­Auslegung einkommensteuerliche Belastungsdifferenzen, die auf Umständen allein in der Person des Steuerpflichtigen beruhen. Die steuerliche Entlastung für die aus einem bestimmten Betrieb oder Mitunternehmeranteil fließenden gewerblichen Einkünfte wäre der Höhe nach davon abhängig, ob der Betriebsinhaber über weitere Betriebe oder Anteile mit Hebesätzen verfügt, die einen internen Ausgleich erlauben. Sowohl im Hinblick auf die Einkünfte, um die es geht, als auch im Hinblick auf den Steuerpflichtigen, der diese bezieht, entstünden Ungleichbehandlungen, für die – gemessen am Gesetzeszweck – keine innere Rechtfertigung zu erkennen ist.

4. Das betriebsbezogene Verständnis beansprucht auch für mehrstöckige Beteiligungen Geltung. Ein sachlicher Differenzierungsgrund besteht nicht.

5. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften setzt sich der für Zwecke des § 35 Abs. 2 EStG...

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