Rz. 94

Handelsrechtlich sind nur die Vermögensgegenstände und Schulden zu bilanzieren, die sachlich dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen sind. Hiernach ist das Unternehmensvermögen oder Geschäftsvermögen vom Privatvermögen des Kaufmanns abzugrenzen.[1]

Ein Einzelkaufmann kann Vermögensgegenstände, die ihrer Art nach sowohl Privat- als auch Betriebsvermögen sein können, seinem Unternehmen widmen. Das muss er in der Buchführung bekunden.[2]

Handelsrechtlich gilt die Vermutung, dass alle von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte dem Betrieb seines Handelsgewerbes zuzurechnen sind.[3] Durch Handelsgeschäfte erworbene Vermögensgegenstände oder begründete Verbindlichkeiten rechnen also handelsrechtlich im Zweifel zum Unternehmens- oder Geschäftsvermögen. Diese Vermutung kann der Kaufmann widerlegen.

 

Rz. 95

Steuerrechtlich gibt es gegenüber dem handelsrechtlichen Sammelbegriff Unternehmensvermögen oder Geschäftsvermögen den Begriff "Betriebsvermögen". Er ist ein Sonderbegriff des Steuerrechts, der in entscheidenden Punkten einen anderen Inhalt hat als der handelsrechtliche Begriff "Unternehmens- oder Geschäftsvermögen". Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird so durch die steuerrechtliche Spezialvorschrift über das Betriebsvermögen[4] durchbrochen.[5]

Nicht alles, was handelsrechtlich zum Geschäftsvermögen gehört, rechnet zum steuerlichen Betriebsvermögen. Umgekehrt muss nicht jeder Vermögensgegenstand, der zum steuerlichen Betriebsvermögen zählt, zum handelsrechtlichen Geschäftsvermögen gerechnet werden. Die Bilanzierung der Vermögensgegenstände kann daher in Handelsbilanz und Steuerbilanz wesentlich voneinander abweichen.

 

Rz. 96

Steuerrechtlich wird unterschieden zwischen

  • notwendigem Betriebsvermögen,
  • notwendigem Privatvermögen und
  • gewillkürtem Betriebsvermögen.[6]
 

Rz. 97

Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören die Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden oder dazu bestimmt sind. Sie gehören immer zum Betriebsvermögen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sie als Betriebsvermögen in der Buchführung und in den Bilanzen ausgewiesen werden.[7] Geschieht das nicht, ist die Buchführung insoweit fehlerhaft und der Bilanzausweis unrichtig. Werden solche Wirtschaftsgüter nach Aufdeckung dieses Bilanzierungsfehlers in die Buchführung aufgenommen, handelt es sich lediglich um eine Berichtigung.

 
Praxis-Beispiel

Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören Fabrik-, Lager- und Verwaltungsgebäude und der dazu gehörende Grund und Boden, Maschinen und sonstige Betriebsvorrichtungen, Vorräte, Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen.

 

Rz. 98

Zum notwendigen Privatvermögen gehören die Wirtschaftsgüter, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich der privaten Lebensführung des Unternehmers dienen oder die der Unternehmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich einem Familienangehörigen aus privaten Gründen unentgeltlich zur Nutzung überlässt.[8] Es kommt hierbei nicht auf den Willen des Unternehmers an, sondern allein auf den objektiven Zustand. Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens kann der Unternehmer nicht durch Widmung dem Betriebsvermögen zuführen. Diese Wirtschaftsgüter können daher nicht gewillkürtes Betriebsvermögen werden.

 
Praxis-Beispiel

Eigengenutzte oder unentgeltlich Familienangehörigen zur Nutzung überlassene Wohnung; Hausrat; Kleidung, die nicht typische Berufskleidung ist; privater Schmuck; private Briefmarken- und Münzsammlung.

 

Rz. 99

Gewillkürtes Betriebsvermögen werden Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören, wenn sie

  • in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und bestimmt und geeignet sind, ihn zu fördern,
  • durch entsprechende Buchung vom Unternehmer dem Betrieb gewidmet werden und
  • der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt wird.[9]

Der objektive Zusammenhang zum Betrieb besteht, wenn das Wirtschaftsgut objektiv "betriebsdienlich" ist. Daher muss der Unternehmer darlegen, welche Beziehung das Wirtschaftsgut zum Betrieb hat und welche vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen ihn veranlasst haben, das Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen zu behandeln.[10]

 

Rz. 100

Bei einer Einlage muss die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen unmissverständlich in einer Weise kundgemacht werden, dass ein sachverständiger Dritter ohne weitere Erklärung des Unternehmers die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen erkennen kann.[11] Die Einlage ist aber nicht zulässig, wenn erkennbar ist, dass die betreffenden Wirtschaftsgüter dem Betrieb keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen.[12]

[1] Schmidt/Ries, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 55.
[2] Schmidt/Ries, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 246 HGB Rz. 56.
[6] Sch...

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