Rz. 86

Verbindlichkeiten sind handelsrechtlich mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen.[2] Es ist hierunter der Betrag zu verstehen, den der Schuldner zur Begleichung der Verbindlichkeit aufbringen muss, die geschuldete Leistung. In der Regel ist der Erfüllungsbetrag in einer Rechnung oder in dem zugrunde liegenden Vertrag fixiert.[3]

 

Rz. 87

Unverzinslichkeit oder Unterverzinslichkeit ist handelsrechtlich nicht durch Abzinsung zu berücksichtigen. Das würde eine Vorwegnahme künftiger Erträge bedeuten und gegen das Realisationsprinzip verstoßen.[4]

 

Rz. 88

Steuerrechtlich sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen.[5] Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.[6]

 

Rz. 89

Sinngemäße Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG bedeutet für die Verbindlichkeiten, dass sie am Bilanzstichtag mit einem höheren Teilwert angesetzt werden dürfen, wenn sie voraussichtlich auf Dauer mit einem höheren Betrag als ihrem Nennwert zu erfüllen sind. Ein höherer Wert kann sich bei einer Verbindlichkeit ergeben, wenn sie in einer Fremdwährung zu erfüllen ist und der Wechselkurs zum Bilanzstichtag gegenüber dem Zugangskurs gestiegen ist.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll aber nur eine nachhaltige Erhöhung des Wechselkurses gegenüber dem Kurs bei Entstehung der Verbindlichkeit als voraussichtlich dauernde Werterhöhung entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen sein. Auf den Devisenmärkten übliche Wechselkursschwankungen berechtigten nicht zu einem höheren Ansatz der Verbindlichkeit. Eine mittel- oder langfristig zu erfüllende Verbindlichkeit kann daher in der Steuerbilanz nicht mit dem höheren Erfüllungsbetrag zum Bilanzstichtag ausgewiesen werden. Nur bei "Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs" kann nach Auffassung der Finanzverwaltung eine nachhaltige Werterhöhung angenommen werden, wenn die Wechselkurserhöhung bis zur Aufstellung der Handelsbilanz oder dem früheren Tilgungs- oder Entnahmezeitpunkt anhält.[7]

 

Rz. 90

Verbindlichkeiten sind daher in Handels- und Steuerbilanz zu bewerten:

 
  Handelsbilanz Steuerbilanz
Wert bei der Entstehung der Verbindlichkeit Erfüllungsbetrag, der sich aus dem zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis ergibt, in Fremdwährung zu erfüllende Verbindlichkeiten zum Zugangskurs (HGB: Devisenkassamittelkurs, § 256a HGB)
Abzinsung Keine Abzinsung

Abzinsung mit einem Zinssatz von 5,5 % Ausnahmen:

  • Laufzeit (auch Restlaufzeit) am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate
  • oder verzinsliche Verbindlichkeiten
  • oder auf Anzahlungen oder Vorauszahlungen beruhende Verbindlichkeiten
Wert am Bilanzstichtag unter dem Wert bei der Entstehung der Verbindlichkeit Der Wert zum Zeitpunkt der Entstehung darf nicht unterschritten werden, weil das gegen das Realisationsprinzip verstieße (Ausnahme: § 256a Satz 2 HGB)
Wert am Bilanzstichtag über dem letzten Buchwert Zuschreibungsgebot Zuschreibungswahlrecht nur bei nachhaltiger Werterhöhung. Nur bei Verbindlichkeiten des laufenden Geldverkehrs, wenn der Wert bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Handelsbilanz oder dem vorangegangenen Tilgungs- oder Entnahmezeitpunkt gestiegen ist. In diesen Fällen schlägt das handelsrechtliche Zuschreibungsgebot auf die Steuerbilanz durch.
Wert am Bilanzstichtag unter dem letzten Buchwert Lag der letzte Buchwert über dem Wert bei der Entstehung der Verbindlichkeit, Abschreibung auf den Wert am Bilanzstichtag bis zur Grenze des Zugangswerts Abschreibung auf den Zugangswert
[3] Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 253 HGB Rz. 72.
[4] Schubert, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 253 HGB Rz. 63.
[5] Zu den Grundsätzen zur Abzinsung von Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz s. BMF, Schreiben v. 23.8.1999, IV C 2 – S 2175 – 25/99, BStBl 1999 I S. 818.

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