Steuerbefreiungen sind möglich bei Lieferungen und sonstigen Leistungen bzw. diesen gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgaben, dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen und der Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet. § 4 UStG regelt abschließend Steuerbefreiungen für bestimmte Umsätze. Die Befreiungen werden im Wesentlichen aus sozial- und kulturpolitischen (heilberufliche Umsätze, Leistungen der Sozialfürsorge, kulturelle bzw. unterrichtende Leistungen usw.), wettbewerbspolitischen (Ausfuhren) und steuertechnischen (Vorumsätze der Seeschifffahrt und Luftfahrt) Gründen gewährt. Diese Steuerbefreiungen werden unmittelbar ergänzt durch die Bestimmungen in § 6 UStG (Definition der Ausfuhrlieferung), § 6 a UStG (Definition der innergemeinschaftlichen Lieferung), § 7 UStG (Definition der Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr) und § 8 UStG (Definition der Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt).

Weitere Steuerbefreiungen finden sich in § 4 b UStG (bestimmte innergemeinschaftliche Erwerbe), § 5 UStG (Einfuhr), § 25 Abs. 2 UStG (Reiseleistungen, soweit die Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden), § 25 c UStG (Umsätze mit Anlagegold) und § 26 Abs. 5 UStG (Ermächtigung für eine Rechtsverordnung, wie der Nachweis bei Umsatzsteuerbefreiungen nach dem NATO-Zusatzabkommen, dem NATO-Hauptquartier-Ergänzungsabkommen und dem Offshore-Steuerabkommen zu führen ist). Eine Regelung über die nachträgliche Entlastung von Umsatzsteuer enthalten § 4 a UStG für bestimmte Lieferungen an begünstigte Körperschaften, § 4c UStG für bestimmte Leistungsbezüge europäischer Einrichtungen und § 26 Abs. 4 UStG für das europäische Konsortium "ERIC".

Mittelbar ergänzt wird § 4 UStG durch § 3 Abs. 11 UStG, wonach ein Unternehmer, der bei der Erbringung einer sonstigen Leistung im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung tätig wird, so behandelt wird, als habe er die Leistung selbst erhalten und selbst erbracht. Der Geschäftsbesorger erhält und erbringt eine sonstige Leistung mit allen daraus zu ziehenden umsatzsteuerrechtlichen Folgen, also z. B. auch im Falle einer Steuerbefreiung.

Bei steuerfreien Transaktionen unterscheidet man zwischen

  • steuerfreien Umsätzen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (sog. Nullsatzumsätze); für welche Umsätze im Einzelnen der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nicht eintritt, ist in § 15 Abs. 3 UStG geregelt;
  • steuerfreien Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen (sog. unechte Steuerbefreiungen); bei welchen Umsätzen der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, regelt im Einzelnen § 15 Abs. 2 UStG.

Unechte, den Vorsteuerabzug ausschließende Steuerbefreiungen widersprechen dem System der Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug,[1] dass alle Waren und Dienstleistungen, die beim Letztverbraucher ankommen, exakt mit dem für den Umsatz festgesetzten Steuersatz belastet sein sollen.

Eine solche Entlastung des Nettopreises ist bei unechten Steuerbefreiungen dadurch nicht möglich, dass der leistende Unternehmer keinen Vorsteuerabzug[2] besitzt. So sind z. B. ärztliche Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG zwar umsatzsteuerfrei, die Ärzte haben jedoch für ihre Eingangsumsätze (z. B. für die Anschaffung medizinischer Geräte) keinen Vorsteuerabzug und müssen von daher diese nichtabzugsfähige Steuer im Preis an ihre Patienten weitergeben. Von daher wird ein ärztlicher Patient nicht etwa mit Null Mehrwertsteuer, sondern mit der im Preis auf ihn abgewälzten nicht abziehbaren Steuer, d. h. mit Restmehrwertsteuer belastet. Die einzige Mehrwertsteuer, die der Patient nicht zu tragen hat, ist die Umsatzsteuer auf den von dem Arzt erzielten Mehrwert.

Systemgerecht sind hingegen Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug, sog. Nullsätze. Diese wirken sich tatsächlich aus, wenn sie auch auf der Letztverbrauchsstufe (Leistung an einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Abnehmer) angewendet werden können. Auf dieser Stufe bestimmt und realisiert sich endgültig die umsatzsteuerliche Belastung einer Ware oder Dienstleistung. Demgegenüber tritt beim Nullsatzumsatz keine Umsatzsteuerentlastung ein, wenn die Steuerbefreiung nur auf einer bestimmten Umsatzstufe innerhalb der Unternehmerkette gewährt wird. Folgt einer dem Nullsatz unterliegenden Umsatzstufe die Letztverbrauchsstufe und ist auf dieser ein höherer Steuersatz anzuwenden, wird die Steuerbefreiung der vorangegangenen Stufe automatisch wieder kompensiert, da der Unternehmer, der an den Letztverbraucher leistet, wegen der Steuerbefreiung auf der Vorstufe im Ergebnis keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte.

Die Systemfremdheit der unechten Steuerbefreiungen wird besonders dort deutlich, wo es zu Kumulationswirkungen kommt. Wird ein steuerbefreiter (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigender) Umsatz an einen Unternehmer erbracht, der seinerseits seine Umsätze voll der Steuer unterwerfen muss, führt die bei dem befreiten Unternehmer nicht abziehbare Vorsteuer – die Überwälzung im Preis vorausgesetzt – zunächst zu einer Belastun...

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