Sachverhalt

In der Rechtssache C-443/04 stellte sich folgende Frage: Ist Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. Richtlinie dahin auszulegen, dass von der Mehrwertsteuer Leistungen befreit sind, die - allesamt im Rahmen einer sog. Störfelddiagnostik - in der Erstellung einer Diagnose, der Empfehlung einer Therapie und der eventuellen Durchführung einer Behandlung bestehen, auch wenn diese Leistungen nicht zur Ausübung eines von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufes - durch denjenigen, der die Leistungen erbringt - gehören?

Der Kläger war als Physiotherapeut in das niederländische Register über die Berufe in der individuellen Gesundheitsvorsorge eingetragen. Er stellte fest, ob Beschwerden mit Störfeldern im Kieferbein, Zähnen und Backenzähnen in Zusammenhang zu bringen sind. In diesem Zusammenhang war von Bedeutung, dass nach den niederländischen Vorschriften die sog. Störfelddiagnostik nicht unter das Fachgebiet eines Physiotherapeuten fällt. Nach Auffassung der dortigen Gesundheitsbehörde war nicht von einer physiotherapeutischen Behandlung auszugehen. Nach den Feststellungen des Vorinstanzgerichts hatte der Kläger jedoch - subjektiv betrachtet - Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbracht. 40 % der Patienten wurden von einem Arzt oder Zahnarzt überwiesen und die meisten Versicherungsgesellschaften übernahmen bei Bestehen einer Zusatzversicherung die Behandlungskosten.

In der Sache C-444/04 stellt sich folgende Frage: Ist Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. Richtlinie dahin auszulegen, dass von der Mehrwertsteuer psychotherapeutische Leistungen befreit sind, die durch eine diesen Beruf ausübende Person, die die gesetzlichen Anforderungen für die Eintragung erfüllt und in ein Register der Psychotherapeuten eingetragen ist, erbracht werden, auch wenn diese Leistungen nicht zur Ausübung eines von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen order arztähnlichen Berufes - durch denjenigen, der die Leistungen erbringt - gehören?

Der Kläger war Psychotherapeut und als solcher in das entsprechende Berufsregister eingetragen. Nach niederländischem Recht fallen jedoch unter die Umsatzsteuerbefreiung nur Leistungen von Personen, die nach dem Gesetz zum Schutz des Arzt- oder Psychologendiploms befugt sind, den Titel Arzt oder Psychologe zu führen.

Unstreitig war in beiden Fällen, so die Feststellung des EuGH, dass die von den Klägern durchgeführten Behandlungen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie darstellten, da sie zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen wurden und somit einen therapeutischen Zweck hatten. Fraglich war somit nur, ob die Leistungen, entsprechend der zweiten Voraussetzung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie, im Rahmen der Ausübung der im nationalen Recht definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht wurden.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Richtlinienvorschrift den Mitgliedstaaten bei der Definition der arztähnlichen Berufe und der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin zwar ein Ermessen einräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens haben die Mitgliedstaaten jedoch das Ziel der Richtlinienvorschrift zu beachten, dass die Befreiung nur für Leistungen gilt, die von Personen erbracht werden, die über die erforderlichen beruflichen Qualifikationen verfügen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten. Nationales Recht, das den Beruf des Psychotherapeuten oder des Physiotherapeuten von der Definition der arztähnlichen Berufe ausnimmt, verstößt nur insoweit gegen dieses Ziel und diesen Grundsatz, als psychotherapeutische/physiotherapeutische Behandlungen - was vom nationalen Gericht zu prüfen ist - steuerfrei wären, wenn sie von Psychiatern, Psychologen oder Angehörigen anderer ärztlicher oder arztähnlicher Berufe bzw. von Ärzten oder Zahnärzten erbracht würden, diese Leistungen aber, würden sie von Psychotherapeuten/Physiotherapeuten erbracht, unter Berücksichtigung deren beruflicher Qualifikationen als qualitativ gleichwertig angesehen werden könnten.

Der EuGH bekräftigt, dass sind nicht alle Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin steuerfrei sind, sondern nur diejenigen, die unter Berücksichtung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen. Daraus folgt, dass der Ausschluss eines bestimmten Berufes oder einer bestimmten spezifischen Heiltätigkeit im Bereich der Humanmedizin durch die Definition der ärztlichen Berufe im nationalen Recht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein muss, die sich auf die beruflichen Qualifikationen der Behandelnden und damit auf Erwägungen im Zusammenhang mit der Qualität der erbrachten Leistungen beziehen. Der Neutralitätsgrundsatz verlangt zwar, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienst...

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